Ich bin zurück, nur einen Tag, dann will ich
noch zu den Enkelkindern. Das Haus ist aus unerfindlichen Gründen voller
Spinngewebe, der Garten verkrautet, die Rosen verblüht. Schnell noch ein paar
Anrufe machen, ein paar Schreibaufträge auf die Reihe bringen, die Wäsche
waschen… na, all das übliche Chaos, das man hat, wenn man nur wenige Tage zu
Hause ist.
Zu all den To-Do-Dingen gehört es auch, meine
Schwiegermutter anzurufen und mich zurück zu melden.
Wir reden nett, sie fragt wie es war, ich
erzähle und fege nebenbei die Treppe.
„Du, Annette, sag mal…was ich noch fragen
wollte…“
„Ja?“
Ich bin auf der Hut.
„Sind die Mirabellen bei deinem Vater schon
reif?“
„Das weiß ich gar nicht.“
„Aber als du das letzte Mal da warst, hast du
da nicht nachgeguckt?“
„Da war ich gar nicht im Garten.“
„Aber sie müssten jetzt eigentlich reif sein,
oder?“
Ich weiß, was es eigentlich bedeutet. Es
bedeutet: Die Mirabellen sind reif. Darum fahre bitte zu deinem Vater, pflücke
sie und bringe sie mit. Ich mache dann Marmelade daraus.
Damit ihr mich richtig versteht: Ich mag
Mirabellenmarmelade, ich fahre gerne zu meinem Vater, ich nehme auch meine
Schwiegermutter mit, und ich pflücke mit ihr auch den ganzen Nachmittag Mirabellen,
aber nicht JETZT! Ich heute, nicht nächste Woche und übernächste Woche
vielleicht auch noch nicht. Aber wenn ich das jetzt zusage, mache ich ein
Versprechen, das ich vielleicht nicht einlösen kann. Sie aber wird mich immer
wieder damit bedrängen. Das kann nur mit schlechtem Gewissen enden, und das kann
ich nun mal gerade gar nicht gebrauchen.
„Wie immer es um die Mirabellen steht“, sage
ich. „Ich habe im Moment keine Zeit, zu meinem Vater zu fahren und welche zu
pflücken.“
„Nee, nee, ich frage ja auch nur so“, sagt
sie.
Und prompt ist es da, mein schlechtes Gewissen.