Einen Tag bevor ich
mich auf den Weg zu einer Lesung nach Bielefeld mache, ruft die Lehrerin an.
Ihre Stimme ist belegt. Es gibt eine traurige Nachricht. Ein Schüler ihrer
Schule ist am Wochenende tödlich verunglückt. Die Schüler werden sehr traurig
sein. Die Schule ist klein. Jeder kennt hier jeden. Und er war einer von den
netten, fröhlichen. Er war Schülersprecher – Mitglied in der Schulband, die
doch auch zur Lesung spielen wollte.
Ich bin berührt. Vor
diesem Hintergrund eine Lesung zu gestalten, fällt mir schwer. Doch die
Lehrerin bittet mich, trotzdem zu kommen. Sie wollen die ersten Stunden nutzen,
um über ihn zu sprechen, seiner zu gedenken. Aber dann tut es vielen Schülern
gut, erst mal wieder den Alltag einkehren zu lassen. Die Schüler freuen sich
doch auch so auf mich.
Also fahre ich. Die
Schüler empfangen mich mit einem liebevoll gedeckten Tisch zum Frühstück. Wir
reden miteinander. Über das Schreiben, über meine Bücher, über sie und mich –
und dann auch über ihn. Wie es gekommen ist, dass er sterben musste. Und wie
das Leben jetzt wohl für die weiter gehen kann, die ihm besonders nahe waren.
Die Lesung findet nun
in einem großen Gruppenraum statt, und nicht, wie geplant, in der Aula – denn die
Schülerband will ohne ihn nicht spielen. Die Schulleiterin begrüßt die Schüler,
redet noch einmal über den schrecklichen Unfall – kündigt mich schließlich an.
„Das Schwierige ist,
dass ich noch nicht mal einen besinnlichen Text habe“, sagte ich. „Meine Geschichten
sind eher spannend – und ein bisschen schräg.“
„Das passt“, sagt
sie. „Er hätte es geliebt.“
Und so lese ich für
die Oberstufe der Bielefelder Hamfeldschule, für die Schüler und Lehrer – und ein
bisschen auch für ihn.
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