Montag, 30. April 2012

Von Hexen und Riesinnen



Passend zur Walpurgisnacht fielen mir diese Fotos in die Hände. Unter der Maske und in den dicken Puschen steckt mein Sohn Benni für eine Eurythmieaufführung der Jungen Bühne Witten. Sie spielen das schwedisches Märchen „Die goldene Laterne, der goldene Bock und das goldene Widderfell.“

 (Fotos von Silvia Froese, Motiv: Junge Bühne Witten)

Nie wieder 2.Liga


Seit mein ältester Sohn nicht mehr bei uns wohnt, sind auch die Gespräche um den Fußball und die Bundesliga weniger geworden.
Doch nun kämpft der  SC Paderborn um die 1. Liga, und das Fußballfieber ist auch bei uns zu Hause wieder ausgebrochen. Wir Ostwestfalen gelten ja eher als wortkarges Völkchen, das zum Lachen in den Keller geht. Aber als am Sonntag das 1 : 0 gegen den FSV Frankfurt fiel, lag ein Schrei über der Fußballarena, der bis Bad Lippspringe schallte. Selbst die Medien staunten, dass die Paderborner abgingen, wie Schmidts Katze.
Leider müssen wir noch ein bisschen siegen. Und die besseren Chancen auf die 1. Liga haben angeblich die Düsseldorfer. Aber das kriegen wir schon noch hin. 
(Foto: Denkmal des Künstlers Hermann vor der Energie-Team-Arena Paderborn)

Sonntag, 29. April 2012

Verheimlicht - die Biografie von Jenny Federson


An den Zugriffen zu den einzelnen Posts sehe ich, wie euch die Jugendlichen interessieren, die hinter den Biografien stehen. So will ich heute von dem Mädchen erzählen, das sich Jenny Federson nennt.
Eines Nachmittags klingelte mein Telefon, und ein Jugendlicher rief an, von dem ich schon eine Zeitlang nichts mehr gehört hatte. Ich war überrascht und freute mich.
„Du suchst doch immer Jugendliche, die ihre Lebensgeschichte aufschreiben wollen“, begann er.  „Hier habe ich eine für dich.“
Dann reichte er den Hörer weiter. Jetzt hatte ich plötzlich ein junges Mädchen am Apparat. Eine Weile druckste sie herum, erzählte von ihrem schweren Leben, den plötzlichen und frühen Tod der Mutter, ihrer Suche nach Halt.
Ich hörte zu, spürte die Aufregung in ihrer Stimme und hatte das Gefühl, da ist noch etwas, das sie erzählen möchte, aber nicht weiß, wie sie es machen soll.
Und dann kam es. Die Beziehung zu ihrem damaligen Freund wurde immer chaotischer, beide verschuldeten sich. Da beschloss Jenny schließlich, in einer Nachtbar zu arbeiten. Zuletzt landete sie in einem Bordell und verkaufte dort ihren Körper an fremde Männer.
„Das würde natürlich eine spannende Geschichte werden. Aber würdest du es wagen, darüber zu schreiben?“, fragte ich sie.
Jenny zögerte. „Ich denke noch einmal darüber nach“, erwiderte sie.
Dann aber sagte sie zu und stürzte sich voller Freude in die Arbeit. Wir trafen uns immer in ihrer kleinen Wohnung, saßen gemeinsam am Schreibtisch vor dem PC. Jenny schrieb, ich schaute zu. Hin und wieder fragte ich nach, forderte sie auf, genauer zu beschreiben.
Für mich war das ein Eintauchen in eine fremde Welt. Noch niemals war ich in einem Bordell gewesen. Noch niemals hatte ich mich mit einer Prostituierten unterhalten. Nun erfuhr ich ganz viel.
Als das Buch fertig war, war Jenny sogar bereit, an einer Fernseh- und an einer Radiosendung mitzuwirken. Die Arbeit an dem Buch hat ihr gut getan.
„Ich bin jetzt einfach nicht mehr so traurig“, sagte sie oft.
Immer noch sind wir in Kontakt. Jenny lebt in einer neuen Beziehung und das hört sich richtig gut an.


(Foto: Bei Fernsehaufnahmen von RTL 2)

Freitag, 27. April 2012

Partnerkommunikation


Hin und wieder schreiben mein Mann und ich uns im Laufe des Tages Mails. Hier ein Beispiel unserer Kommunikation:
Ich:
„Hallo Schatz,
habe den Maurer angerufen. Er kommt morgen um 8.00 Uhr und verputzt das Fenster. Die Fensterbank bringt er nächste Woche mit. Dann macht er auch den Außenputz. Passt dir das?
Tschüssi Netti. “
Er:
„Ja.“
 Dieses einzelne Wort muss man erst mal aus dem langen Absender von „Universität Paderborn“ und „Fakultät für Naturwissenschaften“ raus filtern, um festzustellen: Er hat tatsächlich nur „ja“ geschrieben. 
Ja? Hallo? Jetzt ehrlich, was ist das denn für eine Antwort?
Okay, natürlich ist ja besser als nein. Aber könnte er nicht auch mal schreiben: „Ich finde es ganz toll, wie du dich um all diese Sachen kümmerst?“ Gerne könnte er auch hinzufügen: „Hab einen schönen Tag, arbeite nicht zu viel. Ich mache heute ein tolles Abendessen!“ Ich würde auch nicht meckern, wenn er schreibt: „Ich freue mich auf dich.“
Aber einfach nur „ja“… ?
Habe ich eigentlich schon gesagt, dass ich mit einem Naturwissenschaftler verheiratet bin?

Donnerstag, 26. April 2012

Persönlich bedeutsames Lernen


Seit ich mit der Schule in Berührung gekommen bin, interessiert mich die Pädagogik als Wissensgebiet. Pädagogische Strömungen, Erziehungskonzepte, pädagogische Beziehungen, sie anzuschauen und mich damit auseinander zu setzen, finde ich unglaublich spannend.
Meine große Liebe und absolute Überzeugung aber gehört der Gestaltpädagogik. Sie ist eine ganzheitliche Pädagogik, die die persönliche Beziehung in den Mittelpunkt stellt. Wichtig ist zunächst einmal die Lehrerpersönlichkeit, die sich selbst mit ihren Problemen, Fähigkeiten und Defiziten erkennt und wahrnimmt. Denn erst wenn ich mich selbst kenne, kann ich auch andere Menschen fördern.  Diese Eigenwahrnehmung wird in einer langen Ausbildung geschult.
Meine Ausbildung machte ich am Fritz-Perls-Institut. Sie kostete mich unglaublich viel Zeit und ein ganz schön beträchtliches Sümmchen Geld, aber sie war das Beste, was mir in meinem Leben passieren konnte. Ich habe so unglaublich viel über mich, über Beziehungen, Konflikte, Neurosen, Kreativität und Verdrängungen gelernt, dass ich danach echt fit war, nicht nur guten Unterricht zu machen, sondern auch mein Leben einigermaßen gut zu meistern.
Erst wenn die eigene Selbstwahrnehmung in Bezug auf Persönlichkeit und Beruf klar geworden ist, rücken die didaktischen Arbeitsweisen für die Schule in den Mittelpunkt. Kreative Prozesse, selbstorganisiertes Lernen und die Gestaltung der persönlichen Beziehung sind Grundlage des Unterrichts. Der Lernstoff wird persönlich bedeutsam gemacht.
Auch in meinen Unterrichtsmaterialien versuche ich, sachliche Inhalte, Kreativität und persönliche Bedeutsamkeit unter einen Hut zu bringen. Nur wenn ich den Lernstoff auf mich beziehe, wenn er eine persönliche Wichtigkeit für mich bekommt, bleibt er in meinem Bewusstsein.
Vergeudet also keine Zeit mit Jahreszahlen oder Vokabeln lernen! Sie überleben doch nur wenige Tage im Kurzzeitgedächtnis. Sucht nach einer persönlichen Bedeutsamkeit des Lerninhaltes für euch! Dann bleibt er fürs Leben. 

(Foto: Kinderfest in Avignon)

Mittwoch, 25. April 2012

Lemgo - die Heimat meiner Eltern


Schon in frühster Kinderzeit beschäftigte mich das Thema Heimat. Heimat, das ist der Ort, in dem man geboren ist, lernte ich in der Schule, und ich hatte immer das Gefühl, das stimmt nicht. Ich bin in Lemgo geboren, aber da ich schon als kleines Kind von dort wegzog, war diese Stadt für mich nicht meine Heimat. Meine Heimat war Minden, die Stadt in der ich aufwuchs und zur Schule ging.
Für meine Eltern war das anders. Sie waren in Lemgo geboren, und auch meine Großeltern lebten dort. Sie fanden schon, dass Lemgo unsere eigentliche Heimat war. Einmal in der Woche fuhren wir nach Lemgo und besuchten meine Großeltern. Ich war gerne dort, aber leben wollte ich in diesem kleinen Kaff niemals.
Dann eines Tages bewarb sich mein Vater an einer Schule in Lemgo. Für uns war das nichts Besonderes, denn mein Vater bewarb sich gerne mal, trat aber nie die Stelle an, wenn er das Angebot bekam.
Plötzlich aber war alles anders. Mein Vater bekam die Zusage und wurde richtig bedrängt, sie anzunehmen. Es herrschte ein großer Bedarf an Mathematiklehrern. Mein Vater überlegte hin und her, dann sagte er zu - zum Entsetzen meiner Mutter, meinen Schwestern und mir. Aber, so erklärte uns mein Vater, ein Lipper kehrt letztendlich doch immer wieder in seine Heimat zurück. Er hatte den großen Wunsch, uns seine Heimat schenken - aber er nahm uns unsere.
Unglücklich und unter Tränen zogen wir nach Lemgo. Von dem letzten Tag, an dem wir alle mit blassen Gesichtern in unseren leergeräumten Zimmern sitzen, gibt es einige traurige Fotos.
Lemgo wurde tatsächlich nicht mehr meine Heimat. Aber die kleine Stadt bot einen großen Vorteil: Wir wohnten ziemlich zentral, und die Wege in die Stadt, in Kneipen, Discos oder den Studentenclub waren kurz.  Auch erschien mir Lemgo relativ ungefährlich, sodass ich mir traute, nachts alleine nach Hause zu gehen. Und ganz objektiv betrachtet ist Lemgo wirklich schön - eine mittelalterliche Stadt mit hübschem Stadtkern. Noch heute bummele ich gerne durch die Fußgängerzone.
Eine wirkliche Heimat habe ich seitdem nicht mehr - hatte sie sowieso nie so richtig. Manchmal frage ich mich, was es wohl für ein Gefühl sein muss, wenn man seit Generationen seine Familienwurzeln tief in den Erdboden gegraben hat.  Ich beneide ich die Menschen, die dieses Heimatgefühl in sich spüren können. Auch wenn sie es sicherlich manchmal auch als Enge erleben. 

(Foto: Lemgo, Langenbrücker Mühle an der Bega)

Dienstag, 24. April 2012

Punkte in Flensburg


Als ich den Brief vom Landkreis Osnabrück öffne, ahne ich Unangenehmes. Und tatsächlich: Ein schwarzweiß-gepixeltes Bild fällt mir in die Hände. Ich hinter dem Steuer. Angeblich habe ich einen zu geringen Abstand zu meinem Vordermann gehabt. Nun habe ich die Möglichkeit, mich in einem Anhörungsbogen zu rechtfertigen.
Meine Familie feixt.
Na, Muddi, haste den Vordermann ein bisschen gescheucht?
Haste wenigstens die Lichthupe gedrückt?
Alexander hat sogar eine App auf seinem Handy, um mein Vergehen zu berechnen. 50,- € und zwei Punkte in Flensburg. Mindestens.
Ich bin echt fertig. 36 Jahre lang fahre ich nun Auto, und noch NIE habe ich einen Punkt in Flensburg bekommen. Ich bin eigentlich ein defensiver Fahrer - eigentlich. Doch seit einigen Jahren bin ich natürlich viel unterwegs.  Da passiert es schon mal, dass einen der eine oder andere Vordermann nervt, wenn er so durch die Gegend kreucht.
An diese spezielle Situation aber kann ich mich nicht erinnern. Eigentlich sehe ich auf dem Foto ganz entspannt aus. Und ich bin auch nur 120 gefahren, obwohl ich auf der Autobahn war. Warum sollte ich jemandem zu dicht aufgefahren sein?
Sind Sie das auf dem Foto? fragt der Anhörungsbogen.
Ja, kreuze ich an (bevor unser Dorfsheriff den Bogen zugeschickt kriegt und mich erkennt).
Sind Sie schuldig oder nicht schuldig, fragt der Bogen weiter.
Was soll ich denn schreiben? Ich bin mir keiner Schuld bewusst. Aber das liegt ja vor allem daran, dass ich mich noch nicht mal an die Straße erinnern kann, die ich langgefahren sein soll.
„Schreib doch einfach, du wärst nur so dicht aufgefahren, weil du das Kennzeichen des Vordermannes lesen wolltest, aber du hattest deine Brille nicht dabei“, schlagen meine Söhne vor.
Au Mann, diese Familie ist immer so konstruktiv!
Ich finde, es müsste einen Unterschied geben zwischen netten Vielfahrern, die eigentlich immer bemüht sind, nur eben manchmal etwas unaufmerksam, und zwischen Idioten, die zeigen wollen, dass sie der King sind.
Hiermit plädiere ich für eine Punkte-Flatrate bei netten Vielfahrern. 

Foto: Straße nach Lavras Novas, Brasilien

Montag, 23. April 2012

Lesung in Kassel


Dieser tolle Lesethron wartete heute in der Dorothea-Viehmann-Schule in Kassel auf mich. Er sieht nicht nur genial aus, er ist auch superbequem. Trotzdem habe ich mich nur für ein Foto darauf gelümmelt. Ich lese einfach lieber im Stehen oder setze mich auf einen Tisch. Dann habe ich die Schüler im Blick und sie mich auch.
An der Dorothea-Viehmann-Grundschule war ich schon einmal zu Gast gewesen, und ich konnte mich noch an den schönen Musikraum, die Bühne und die schlauen Schüler erinnern. Daran hatte sich auch in den zwei Jahren nichts geändert. Die Schüler hörten aufmerksam zu und gestalteten die Lesung aktiv mit. Für alle drei Gruppen gab es ein eigenes Programm.
Einziger Minuspunkt der Lesung: Ich hatte nicht genug Autogrammkarten mitgebracht. Die neuen Karten sind so dick, da hatte ich mich einfach in der Menge verschätzt. Eine Klasse musste erst einmal verzichten, kriegten aber zur Entschädigung ein Buch geschenkt. Sie jammerten trotzdem. Aber ihr müsst wirklich nur bis übermorgen warten. Das Päckchen geht heute noch in die Post. 

 Foto: Dorothea-Viehmann-Schule, Kassel

Sonntag, 22. April 2012

Inspirationen


hieß der Gottesdienst der evangelischen Gemeinde St. Lukas, der alle vier Wochen in der katholischen Kirche in einem kleinen Dorf bei Paderborn stattfindet.  Diesmal stand er unter dem Thema  „Muslime als Nachbarn“. Unser deutsch-türkischer Chor war eingeladen worden, den Gottesdienst  mitzugestalten. Es gab Psalmen und Suren nebeneinander, und wir sangen drei religiöse türkische und zwei deutsche Lieder.
Eine evangelische Gemeinde in einer katholischen Kirche, die ein muslimisches Thema wählt und viele Türken zu sich einlädt, das ist konfessions- und religionsübergreifend. 
"Da berühren sich Himmel und Erde, dass Friede werde unter uns", sangen wir. 

Foto: deutsch-türkischer Chor Padermelodie, katholische Kirche in Dahl

Zahnloses Grinsen


Und wieder ist Enkelkind Timmy zu Besuch. Sofort ist das Wohnzimmer voller Menschen. Staunend bilden sie einen Kreis um ihn. Er grinst sich zahnlos in alle Herzen. Wie fröhlich er sich an den einfachen Dingen freut. Über den weichen Teppich, auf dem er liegt, über den Silberlöffel, in dem sich sein Gesicht spiegelt, über die Rassel, die so spannende Geräusche macht, über jemanden, der mit ihm zum Tausendsten Mal „Kuckuck“ spielt. Es ist so leicht, das Leben zu lieben. 

Foto: meine Familie , Nils, Alexander, Timmy, Nicole

Freitag, 20. April 2012

Gedanken bei der Steuererklärung



Manchmal lernt man in seinem Leben tatsächlich dazu. Steuererklärungen ordentlich zu machen, zum Beispiel. Eigentlich war der Monat, in dem ich die Steuererklärung machen musste eine Zeit, in der ich verzweifelt nach Quittungen suchte und Tabellen vollschrieb und schwitzte und rechnete und den Partner beschuldigte, etwas Wichtiges verschlampt zu haben… eine Zeit der Hektik, der schlechten Laune, der Ehekrise.
Ich habe gelernt, ordentlicher zu sein, gewissenhaft abzuheften und gleich alles in Tabellen einzutragen, nachdem die Dinge geschehen sind. Und oh Wunder, die Steuererklärung macht (fast) Spaß. Ich mag es nämlich auch, mein Leben in eine Tabelle einzutragen und zu berechnen. Das alles hat eine gewisse Ordnung. Und so ganz nebenbei lasse ich die Zeit Revue passieren, die sich hinter den Rechnungen verbirgt.
Verschiedene Stationen fallen mir wieder ein: Die Lesereise nach Bamberg, die Lesung in Belgien, das Verlagsfest beim Verlag an der Ruhr, das Interview beim NDR in Göttingen - so viele tolle Begegnungen und Gespräche, so viele neue Eindrücke, so viel Zeit für mich. Ein spannendes Jahr.
Und wieder bin ich so glücklich und dankbar, dass ich die Chance hatte, die Schule hinter mir zu lassen und zu versuchen, von der Kreativität zu leben. Denn ehrlich, mein Beruf ist der schönste Beruf der Welt! Auch wenn ich dann jedes Mal im Mai eine verdammt ausführliche Steuererklärung machen muss. 
(Foto: Regenbogen über dem Deister)