Heute habe ich einen
Gastbeitrag in meinem Blog. Die 13
jährige Lu ist die einzige Schülerin eines großen Gymnasiums, die keine Maske
trägt.
Meine Alltagsmaske
Unter 1300
Schülern die einzige zu sein, die keine Maske trägt, war in den letzten Wochen nicht
sehr angenehm für mich: Deswegen habe ich mir zur Alltagsmaske gemacht, einfach
so zu tun, als wäre alles gut.
Manchmal werde ich im Bus fotografiert, manchmal ernte ich hasserfüllte Blicke.
Das lässt mich nicht kalt. Dennoch habe ich gelernt, mit meiner freien Nase
hocherhoben aufs Schulgelände zu laufen und zu versuchen, viele noch so dumme
Fragen zum Thema Sinn der Masken zu stellen.
Bei meiner
Geschichtslehrerin spüre ich den unterschwelligen Hass sehr deutlich. Sie kommt
gerne ein bisschen früher in die Klasse, um meine Freunde von mir zu trennen.
„Geht an die frische Luft“, sagt sie dann, woraufhin ich einfach sage: „Frische
Luft? Mit der Maske?“ „Natürlich mit der Maske“ sagt sie spitz.
Dann gehen die
meisten Schüler mit Maske auf den Schulhof. Ich muss im Klassenraum bleiben,
weil ich keine Maske trage. Meine Freunde
aber bleiben bei mir. Das ärgert die Geschichtslehrerin. Im Unterricht spüre ich deutlich, wie sauer sie
auf mich ist. Man muss dazu wissen: Ich melde mich wenig, doch wenn ich mich mal
melde, schaut sie mich an und nimmt denjenigen dran, der schon sieben Mal etwas
gesagt hat. Ich weiß nicht, ob sie das extra macht, aber dass sie mich noch
mochte, als ich dort mit Maske gehockt habe, weiß ich definitiv.
Sie benutzt gerne
eine Technik, um mir ein schlechtes Gewissen zu machen ist: „Der Virus ist sehr
gefährlich und die Maske eine sinnvolle Schutzmaßnahme“, sagt sie. Dann folgt ein strenger Seitenblick zu meinem
Fensterplatz, an dem ich sitze, damit meine Aerosole das Fenster hinaus
trudeln.
Zum Glück habe ich
mich daran gewöhnt die vermeintliche Mörderin der Schule geworden zu sein. Am
ersten Tag hatte ich Angst zu sagen, dass ich ein Attest habe. Heute hoffe ich
darauf, dass Menschen nachdenken, wenn sie mich sehen.
Verrückt ist, alle
denken ich wäre so ignorant, dass ich nicht bemerken würde, dass ich die
einzige im Laden ohne „Schutzmaske“ bin. Meistens fragen sie dann: „Wo ist denn
Ihre Maske?“ und ziehen mit Daumen und Zeigefinger zu einer eckigen Klammer
geformt die Silhouette eines Mund-Nasenschutzes vor ihrem Gesicht nach. Mittlerweile
habe ich mir angewöhnt zu sagen: „Hallo, genau ich bin von der Maskenpflicht
befreit, ich habe auch ein Attest, das muss ich aber eigentlich nicht
vorzeigen, aber gut…“
Wohlwollend lächelnd ziehe ich dann mein leicht angerissenes Attest aus der
Tasche. Manche studieren es eingehend, manche machen eine wegwerfende Handbewegung
und lassen mich gehen.
Ich habe immer
darauf geachtet nicht zu sehr aufzufallen, aber jetzt kann ich gar nichts mehr
dagegen tun. Ich falle einfach auf, weil ich ganz normal aussehe.
Das ist anstrengend, und ich muss immer wieder Position beziehen. Ich weiß
nicht, ob ich mich jetzt negativ verändere, da ich den Lehrern freche Antworten
gebe. Ohne groß darüber nachzudenken, habe ich mich selber zur Schulrebellin
gemacht und das nur, weil ich einen Zettel
habe wo drauf steht, dass ich keinen Lappen vor meinem halben Gesicht
haben kann. Ich bin froh, dass meine Freunde zu mir halten und dass ich gelernt
habe, mich ein wenig daran zu erfreuen, frech zu sein. Oft bin ich überrascht,
dass ich das kann, wo ich doch eigentlich eher still bin.
Ich denke aber auf jeden Fall, dass mich dieses Anderssein mutiger und auch
selbstbewusster gemacht hat, hoffe aber auch, dass mein freies Gesicht bald
keinem mehr auffällt, weil alle wieder ihr Gesicht zeigen dürfen.