Habt ihr gestern auch
den Film „Bornholmer Straße“ gesehen? Mir waren die Überzeichnungen zu viel. Ich
mag das nicht, wenn solche berührenden Momente Comedyartig dargestellt werden.
Die Echtaufnahmen in der anschließenden Reportage gingen allerdings voll unter
die Haut.
Und so erinnerten wir
uns auch wieder an den Tag, als die Mauer fiel.
Mein Mann kommt aus
Goslar. Wenn wir seine Eltern besuchten, fuhren wir manchmal bis an die
innerdeutsche Grenze und schauten nach drüben. Die Grenze verlief irgendwo
hinter einem kleinen Dorf zwischen Bad Harzburg und Wernigerode. Ein kleines
Bächlein in einem Waldgebiet teilte Deutschland in zwei Teile. Dahinter kam ein Wachturm, dann ein Streifen
Niemandsland und dann sah man den meterhohen Stacheldraht.
Als wir an einem
schönen Sommertag wieder hier waren, sah man die Grenzbeamten der DDR nicht wie
sonst auf dem Wachturm stehen. Sie lagen auf dem Waldboden in der Sonne direkt
vor uns. Durch ihre Tarnuniform erkannte man sie erst auf den 2. Blick. Ich
ging ganz dicht an das Bächlein heran, versicherte mich noch bei den anderen Ausflüglern,
wie weit ich gehen darf („Sie dürfen bis an das Bächlein!“) und dann standen
wir uns Aug in Auge gegenüber, die Grenzbeamten und ich. Das war ein
unheimliches Gefühl. Mein Herz klopfte, und auch sie sahen irgendwie verunsichert
aus.
Am Tag, als die Mauer
fiel, war ich in einer ganz anderen Lebenssituation. Benny, unser drittes Kind
war geboren, und mein Leben war so eng und verplant, dass ich es gerade mit
drei Kindern zum Spielplatz oder zum Bäcker schaffte.
Schon wochenlang
dauerten die Unruhen an. Immer mehr Menschen flohen über Ungarn in den Westen.
„Eigentlich könnten sie doch jetzt auch die Grenze aufmachen“, sagten
wir. Und doch schien uns dieser Gedanke unglaublich.
Als die Unruhen
weiter gingen, die Rufe „Wir sind das Volk“ unüberhörbar wurden, hatte ich
meinen Arbeitsplatz ins Wohnzimmer verlagert. Wann immer es mir möglich war,
schaute ich fern.
Am Abend des 9.
November stand ich im Wohnzimmer und bügelte. Benny war auf dem Sofa
eingeschlafen. Irgendwann war die Bügelwäsche erledigt. Ich trug Benny in sein
Bettchen, rannte ins Wohnzimmer zurück und dann schauten mein Mann und ich uns den ganzen Abend lang die
Berichterstattungen an. Es war so unglaublich, was hier passierte, dass wir nur
noch auf dem Sofa verharrten und auf den Bildschirm starrten. Irgendwann ging
ich ins Bett.
Am nächsten Tag war
die DDR Geschichte.
An den folgenden Tagen
war es so schwer für mich, das Geschehen nur vor dem Fernseher verfolgen zu können. Die Partys auf
der Brücke und auf der Mauer, Hände, die sich durch die Mauer berührten, es war
alles so herzzerreißend. Und ich hatte keine Möglichkeit, dabei zu sein. Das
Muttersein ist eine ganz schöne Herausforderung.
Es dauerte ein paar
Tage, bis mir der erste Trabbi begegnete. Dann erst konnte ich allmählich
fassen, was geschehen war.
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