Freitag, 11. Februar 2011

Treffen mit Djamal

Ich stehe am Bahnhof einer großen Stadt und warte auf Djamal, der letzte Jugendliche, den ich beim Schreiben der Biografie begleite. Ich bin gespannt, ob ich ihn wiedererkenne. Er sah immer so unterschiedlich aus. Im Gefängnis mit Knastkleidung und düsterem traurigem Gesicht, auf der Bank an einem Spielplatz mit schmutzigen Sachen, einer bunten Mütze und geweiteten Pupillen, dann mal mit schwarzer Lederjacke und langen Haaren.
Der Djamal, der mir nun entgegen kommt, ist völlig verändert. Er lacht, und um seine Mundwinkel bilden sich kleine Grübchen. Richtig jungenhaft sieht er jetzt aus.

Als er nach 1 1/2 Jahren aus der Haft entlassen wurde, stand er vor einem Scherbenhaufen. Von den Eltern verstoßen, hatte er keinen Personalausweis und keine Aufenthaltserlaubnis. Er konnte keine Wohnung mieten, keine Arbeit suchen, nicht zur Schule gehen und kein Konto eröffnen. Immer wieder war ihm die Polizei auf den Fersen. 200 Sozialstunden hatte er als Bewährungsauflage bekommen.
Das kann man gar nicht schaffen, habe ich so oft gedacht. Schon gar nicht mit 18.
Aber Djamal hatte ein klares Ziel vor Augen. Nie wieder Gefängnis.

Wo ich konnte, habe ich ihm geholfen. Auch der Verlag war zur Stelle, wenn Not am Mann war.
Eine tolle Arbeit leisteten die Sozialarbeiter und Streetworker. Sie erstellten Wochenpläne für ihn, unterstützten ihn bei Amtsgängen und Gerichten, begleiteten ihn auch psychisch.
Die genialste Arbeit aber leistete Djamal selbst. Er hielt sich genaustens an seinen Wochenplan und arbeitete außerdem seine Sozialstunden ab. Als er endlich den Perso hatte, suchte er sich eine kleinen Wohnung und beantragte Hartz IV. Im Sommer wird er wieder zur Schule gehen.
Er hat es noch nicht geschafft.
Aber es sieht verdammt gut für ihn aus.

Sein Buch "abgeschoben" erscheint im Herbst.

1 Kommentar: