Donnerstag, 23. Oktober 2014

Lesung vor Gericht


Die Jugendrichterin Frau Schwerdtner mit der Praktikantin Frau Satir
Schon häufiger habe ich über das Projekt „Lesen statt Strafe – Aus Büchern lernen“ berichtet, in dem Jugendliche, statt eine Sozialstrafe auferlegt zu bekommen, dazu verpflichtet werden, ein Buch zu lesen. Diese Bücher sind vom Jugendgericht ausgewählt. Der Jugendliche hat dann nicht nur die Auflage, das Buch zu lesen, er muss auch den Inhalt schriftlich wiedergeben und durch Beantworten der Fragen zeigen, dass er sich mit dem Buch auseinander gesetzt hat. An diesem Projekt beteiligt sich auch die Jugendgerichtshilfe Goslar. 
Nun hatten sie ihre Jugendlichen zu einer Lesung von mir in den Gerichtssaal eingeladen – damit, so die Jugendrichterin Frau Schwerdtner, der Gerichtssaal auch mal positiv in Erinnerung ist.  
Und trotzdem waren wir uns so unsicher, ob die Jugendlichen auch kommen würden. „Es ist ein großes Experiment“, sagte Herr Weber, der Sozialarbeiter, immer wieder. „Erwarten Sie nicht zu viel. Vielleicht kommen nur fünf. Vielleicht aber auch fünfzehn. Aber wenn wir Pech haben, ist auch niemand da.“
Als wir in Goslar über den Parkplatz zum Gericht hinüber rennen, schüttet es vom Himmel herunter, wie eine kalte Dusche. Wir sind uns ziemlich sicher: Bei dem Wetter macht sich niemand auf den Weg zu einer Lesung.
Im Gerichtssaal sieht es ehrfürchtig aus. Der Anklagetisch ist als Lesetisch umfunktioniert, die Zuschauerbänke sind noch leer. Dann finden sich irgendwann zwei Jugendliche ein, schließlich kommen auch noch die Frau von der Presse und ein weiterer Herr vom Jugendamt.
Das war`s also, denken wir alle. Doch dann öffnet sich die große schwere Doppeltür, und so nach und nach treten immer wieder gruppenweise junge Menschen ein. Einige kommen mit größerer Verspätung, aber sie kommen. Ich bin total gerührt.
Ich lese aus den Reality-Büchern, die Jugendlichen hören aufmerksam zu. Fragen gibt es wenige. Doch das ist überhaupt nicht wichtig. Ich sehe den Jugendlichen an, dass es sie interessiert.
Nach der Lesung bleiben noch einige für persönliche Fragen, darunter auch ein Mädchen, das schon mal mit mir Kontakt über Mail aufgenommen hatte. Sie hatte eine Buchvorstellung in ihrer Klasse zu dem Buch "Das erste Mal" gemacht und dafür eine Eins bekommen, wie sie überglücklich verkündet.
Beschwingt fahren wir nach der Lesung zurück. Hach, das war mal wieder eine ganz besondere Erfahrung!

Einige der Jugendlichen, links und rechts des Bildes die Sozialarbeiter Herr Wippermann und Herr Weber


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