Sonntag, 22. Mai 2011

Ein letzter Blick


"Sie erhalten nun vor der Drucklegung Ihr Buch zur Autorenkorrektur", schreibt mir der Verlag an der Ruhr. "Da dies quasi die letzte Möglichkeit ist, formale und inhaltliche Fehler zu entlarven, bitten wir Sie, ein letztes Mal Augenmerk auf Ihr "Kind" zu richten."

Mit "Kind" meinen Sie diesen Stapel Papier. Schwarze Schrift auf weißem Grund. Die Fortsetzung meines Buches "Im Chat war er noch so süß."
Doch dieser Stapel Papier ist emotional weiter von mir entfernt als eine Melodie auf einer arabischen Snitra. Ich weiß überhaupt nicht mehr genau, was ich da geschrieben habe. Fühle nur, dass es nicht gut sein könnte. Und weiß genau, ich hätte heute eigentlich eine viel bessere Idee, das Buch weiter zu schreiben. 

Aber dazu ist es zu spät. Das Buch ist gesetzt. Ich kann nun noch mal ein "dann" streichen und "nun" dafür einsetzen oder "erwiderte" statt "sagte" schreiben. Aber dem Buch nach dem ersten Kapitel eine ganz andere Wendung geben zu lassen, das ist nicht mehr drin.
Das ist ein schreckliches Gefühl. 
Es ist alles fertig. Nichts geht mehr. Nun muss ich aushalten, dass es so geworden ist, wie es geworden ist.
Heute hatte ich nicht den Mut, meinem "Kind" das Fliegen beizubringen. Noch ist es im Nest ganz gut aufgehoben.

4 Kommentare:

  1. Liebe Annette,

    wie lange ist es denn her, dass Du dieses Manuskript aus der Hand gegeben hast? Finde ich interessant, dass Du dieser Geschichte jetzt eine ganz andere Wendung gegeben hättest. Trotzdem ist es bestimmt gut so wie es ist. Kinder entfernen sich von ihren Eltern und gehen doch (auch ohne Segen) erfolgreiche Wege.;)

    Liebe Grüße,
    Nikola

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  2. Ich glaube, das war vor einem halben Jahr.

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  3. Neue Ideen können in dieses Werk zwar nicht mehr rein, aber vielleicht lohnt es sich ja trotzdem, ein paar der neuen Wendungen zu notieren und für ganz neue Texte in andere Zusammenhänge einzufügen! Denn es soll ja alles recycelt werden, heutzutage! ;)
    Viel Erfolg beim Loslassen! Etliche Fans warten schon gespannt darauf, und wahrscheinlich gehen diese Erwartungen wieder in völlig andere Richtungen.
    Viele Grüße,
    Christian

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  4. Wir haben das Buch gerade erst im Unterricht gelesen. Einer der Wünsche der Schüler war, dass die Geschichte von Sarah weitergeht. Sie empfanden die Geschichte als nicht fertig, konnten sich mit dem Gedanken nicht anfreunden, das die Dramatik erst sehr hoch war, viel kriminelles Potenzial zu spüren war und dann alles so "seicht" zu ende gehen sollte.
    Egal, wie es weitergeht (und auch ich bin froh wenn es weitergeht) es wird gut sein. Wir freuen uns schon...

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