Wie bei fast allen Menschen, die gerne
schreiben, ging auch bei mir das leidenschaftliche Lesen voraus. Schon als Kind
sparte ich mein ganzes (weniges) Taschengeld für Bücher. Außerdem fuhr ich
regelmäßig in die Bücherei oder lieh mir Bücher von Freundinnen aus. Ein Tag
ohne Bücher war ein verlorener Tag. Ich las alles, was ich kriegen konnte kurz
und klein.
Besonders begehrt aber waren die Bücher
meiner älteren Schwester. Meine Schwester hatte ihre Bücher in blaues Papier
eingeschlagen und mit Nummern versehen, damit sie sich notieren konnte, wer sie
sich ausgeliehen hatte. Sie verlieh sie aber überhaupt nicht. Diese
Nummerierungen waren nur Teil ihres Ordnungswahns. Schon gar nicht hatte sie
vor, ihre Bücher an mich zu verleihen. Dazu hatte sie viel zu großen Spaß
daran, mich als jüngere Schwester leiden zu sehen und ihre Macht zu
demonstrieren. Und wie ich litt! Sie besaß diese wundervollen Schneiderbücher
von Hanni und Nanni und Dolly, die im Internat lebte – aber genau die durfte
ich mir allenfalls von weitem anschauen.
Dann kam der Tag X! Meine Schwester fuhr für
zwei Wochen zu meiner Großmutter. Kaum hatte sie das Haus verlassen, stürzte
ich in ihr Zimmer. Aber die wundervollen blau eingeschlagenen Bücher waren
verschwunden. Nur ein kleiner Rest war in ihrem Regal verblieben. Ich fragte
meine Mutter, doch auch sie hatte keine Ahnung, was damit passiert war.
So viele Bücher konnten doch nicht vom
Erdboden verschluckt sein, und mitnehmen konnte man sie auch nicht. Also machte
ich mich im Haus auf die Suche. Ich durchsuchte jeden Winkel unseres Hauses,
aber ich fand sie nicht. Meine Schwester meldete sich schadenfroh am Telefon
und sagte, sie habe die Bücher einer Freundin gegeben, aber das wollte ich
nicht glauben. Ich suchte, grübelte, suchte weiter. Irgendwann kam mir eine
Idee. In einem kleinen Abstellraum hinter dem Elternschlafzimmer befanden sich
unsere Koffer, fein säuberlich der Größe nach übereinander gestapelt. Ich zog
einen Koffer nach dem anderen heraus und öffnete ihn. Nichts. Erst als ich den
untersten Koffer öffnete – es war der große alte Marinekoffer meines Vaters
leuchteten -sie mir entgegen. Diese
blauen Umschläge erschienen mir wie glitzernde Goldstücke. Ich konnte es nicht
fassen, hüpfte durch`s ganze Haus und
brüllte vor Freude.
Nun begannen die Sommerferien auch für mich.
Vierzehn Tage blieben mir, all diese Bücher zu lesen. Und das tat ich auch. Ich
lag bewegungslos im Liegestuhl auf der Terrasse und las und las. Die Sonne
schien, hin und wieder sagten meine Eltern, ich solle doch mal in den Garten
gehen und spielen, aber dazu hatte ich keine Zeit.
Was für Ferien!
(Foto: Goslar)
Was für schöne Lese-Erinnerungen! Du hast nur vergessen zu erzählen, wie Deine Schwester reagierte, als sie zurückkam. Das hat sie doch garantiert gemerkt, oder?
AntwortenLöschenBei uns wurden die Bücher immer schwesterlich geteilt. Gezankt wurde sich nur darüber, wer welches Buch zuerst lesen darf. Noch schöner als lesen fanden wir es nämlich, hinterher über die Bücher zu quatschen.
Liebe Grüße
Nikola
Ja, meine ältere Schwester war immer ziemlich eigen. Aber ich hatte ja noch eine Schwester, Gott sei Dank!
LöschenAls meine ältere Schwester zurück kam, hat sie natürlich gemeckert, aber sie konnte ja nichts machen: Gelesen ist gelesen! Haha!
Hach, das waren noch Zeiten... zwölfhundert Seiten an einem Tag... ^^
AntwortenLöschenEine herrliche Geschichte. Das Happy End fast zu schön, um wahr zu sein. Hanni und Nanni, dieser Buchtitel weckt auch bei mir Kindheitserinnerungen.
AntwortenLöschenKanntest du den sechsteiligen Wälzer von Gulla, dem mausarmen schwedischen Mädchen? Und Heidi, das kennst du sicher auch...
Gulla kenne ich nicht, aber Heidi natürlich. Es war aber schon weit vor meiner Zeit erschienen, und ich hatte es in Sütterlinschrift aus dem Kinderschatz meiner Mutter übernommen.
LöschenKein Wunder, unsere Johanna Spyri schrieb "Heidi" auch im vorletzten Jahrhundert.
LöschenIch bin mir nicht mal sicher, ob ich das Buch gelesen habe, aber mit Sicherheit habe ich sämtliche Filmversionen mehrfach gesehen, inkl. der Trickfilm-Serie.
Diese Episode würde sich doch bestimmt in eines deiner Jugendbücher einbauen lassen - herrlich...
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