„Sag mal, kannst du Strümpfe stricken?“,
fragte ich meine Schwiegermutter. Ich mache nämlich einen Pilateskurs mit, und
dieser Kurs wird immer auf Strümpfen gemacht. Da wünsche ich mir so manches Mal
warme selbstgestrickte Socken herbei.
„Natürlich“, sagte meine Schwiegermutter. Und
dann erzählte sie mir, dass sie als Grundschülerin verpflichtet wurde, Socken für
die Frontsoldaten zu stricken. Einmal die Woche fuhr ein großer Laster vor der
Schule vor und lud dicke graue Schurwolle ab. Jedes Mädchen von der 1. Klasse aufwärts
hatte nun die Aufgabe, drei Paar Socken pro Woche daraus herzustellen. Die
Socken wurden von der Handarbeitslehrerin kritisch begutachtet. Fehlerlos mussten
sie sein, damit die Frontsoldaten keine Blasen an den Füßen kriegten.
Natürlich wollte ich nicht, dass meine
Schwiegermutter an diesen eher traurigen Teil ihrer Lebensgeschichte erinnert
wurde, aber sie meinte, das wäre kein Problem. Sie hätte gerne gestrickt, und
als Kind wäre sie sogar stolz gewesen, ihren Beitrag für den Krieg leisten zu
können. Erst später hatte sie gemerkt, dass sie Rädchen eines großen Getriebes
gewesen war, und dass ihre Arbeit ausgenutzt wurde und ihre Bildung zugunsten
eines irren Weltplanes zurücktreten musste. Aber für mich würde sie gerne stricken,
sagte sie. Ich freute mich – und ahnte
nicht, dass ich eine Welle lostreten würde. Denn sie entdeckte ihre Freunde am
Socken stricken wieder.
Seitdem liefert sie jede Woche drei Paar
Socken bei uns ab. Und wenn
es so weiter geht, werde ich bald neben dem Schreiben ein Sockengeschäft
eröffnen können.
und ich bestelle dann gleich zwei- drei Paare. :) Meine Schwiegermutter kann nämlich seit einigen Jahren nicht mehr stricken. Der Vorrat an Socken geht zur Neige.
AntwortenLöschenDie Geschichte aus dem Krieg ist ja gruselig. Wenn ich mir da die heutigen Erstklässler(innen?) vorstelle....
Schönen, warmfüssigen Sonntag dir!
Gabriela
Liebe Annette, eine Geschichte, die an schlimme Zeiten erinnert. Stell die das bei den Kindern heute vor.
AntwortenLöschenAber herlich das deine Schwiegermutter nun für die ganz Familie Socken strickt.
Du findest bestimmt dankbare Abnehmer dafür.
Liebe Sonntagsgrüße
Angelika
Liebe Annette, kannst du dich noch an Frau Schneider erinnern? Da mussten wir doch auch mal Socken stricken....ich hatte erst das Bündchen des ersten Socken fertig als es plötzlich hieß: Wer bis morgen seine Socken nicht fertig hat, bekommt eine 5 im Zeugnis.
AntwortenLöschenMeine Mutter hätte mir die Socken locker bis zum nächsten Tag fertig stricken können, sie konnte das sehr gut. Aber auch sie fand, dass das eine ziemliche Zumutung war. Ich ging mit unfertigen Socken in die Schule und bekam meine 5 im Zeugnis...wie übrigens viele andere aus unserer Klasse auch. Meine Mutter hat die Socken später fertig gestrickt. Ich hab' nie wieder versucht Socken zu stricken....
Meine Mutter hat übrigens auch solange sie konnte die ganze Verwandtschaft mit Socken versorgt.
Liebe Grüße
Heidi
Hallo Heidi, das finde ich rigtig stark von deiner Mutter. Spannend, wofür Zeugnisnoten Zeugnis ablegen können.
LöschenLieben Gruss
Gabriels
One sock a day, keeps the doctor away! ...oder so ähnlich.
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