Schon in frühster
Kinderzeit beschäftigte mich das Thema Heimat. Heimat, das ist der Ort, in dem
man geboren ist, lernte ich in der Schule, und ich hatte immer das Gefühl, das
stimmt nicht. Ich bin in Lemgo geboren, aber da ich schon als kleines Kind von
dort wegzog, war diese Stadt für mich nicht meine Heimat. Meine Heimat war
Minden, die Stadt in der ich aufwuchs und zur Schule ging.
Für meine Eltern war
das anders. Sie waren in Lemgo geboren, und auch meine Großeltern lebten dort. Sie
fanden schon, dass Lemgo unsere eigentliche Heimat war. Einmal in der Woche
fuhren wir nach Lemgo und besuchten meine Großeltern. Ich war gerne dort, aber leben
wollte ich in diesem kleinen Kaff niemals.
Dann eines Tages
bewarb sich mein Vater an einer Schule in Lemgo. Für uns war das nichts
Besonderes, denn mein Vater bewarb sich gerne mal, trat aber nie die Stelle an,
wenn er das Angebot bekam.
Plötzlich aber war
alles anders. Mein Vater bekam die Zusage und wurde richtig bedrängt, sie
anzunehmen. Es herrschte ein großer Bedarf an Mathematiklehrern. Mein Vater
überlegte hin und her, dann sagte er zu - zum Entsetzen meiner Mutter, meinen
Schwestern und mir. Aber, so erklärte uns mein Vater, ein Lipper kehrt
letztendlich doch immer wieder in seine Heimat zurück. Er hatte den großen Wunsch,
uns seine Heimat schenken - aber er nahm uns unsere.
Unglücklich und unter
Tränen zogen wir nach Lemgo. Von dem letzten Tag, an dem wir alle mit blassen
Gesichtern in unseren leergeräumten Zimmern sitzen, gibt es einige traurige
Fotos.
Lemgo wurde tatsächlich
nicht mehr meine Heimat. Aber die kleine Stadt bot einen großen Vorteil: Wir wohnten
ziemlich zentral, und die Wege in die Stadt, in Kneipen, Discos oder den
Studentenclub waren kurz. Auch erschien
mir Lemgo relativ ungefährlich, sodass ich mir traute, nachts alleine nach Hause
zu gehen. Und ganz objektiv betrachtet ist Lemgo wirklich schön - eine
mittelalterliche Stadt mit hübschem Stadtkern. Noch heute bummele ich gerne
durch die Fußgängerzone.
Eine wirkliche Heimat
habe ich seitdem nicht mehr - hatte sie sowieso nie so richtig. Manchmal frage
ich mich, was es wohl für ein Gefühl sein muss, wenn man seit Generationen
seine Familienwurzeln tief in den Erdboden gegraben hat. Ich beneide ich die Menschen, die dieses Heimatgefühl
in sich spüren können. Auch wenn sie es sicherlich manchmal auch als Enge
erleben.
(Foto: Lemgo, Langenbrücker Mühle an der Bega)
Ich glaube Heimat kann auch viel größer sein, als ein kleiner Ort oder eine Stadt. Heimat kann auch ein ganzes Land sein. Für manche ist Heimat auch immer dort, wo sie mit ihrer Familie gerade leben. Für mich war meine Heimat immer die Porta Westfalica. Auch als ich 20 km weiter nördlich lebte. Selbst von dort war die Porta bei guten Wetter zu sehen. Ich bin schon sehr oft umgezogen, blieb aber immer am Fuße des Wiehengebirges im Raum Minden, Hille, Porta Westfalica. Wenn wir aus dem Urlaub nach Hause kommen und sehen schon von Weitem die Porta, dann wissen wir, wir sind zu Hause angekommen...
AntwortenLöschenDas kann ich gut verstehen.
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