Freitag, 31. August 2012

Kinder und Beruf




Nehmen wir an, ich könnte mein Leben noch einmal auf 0 stellen, was würde ich anders machen?
Als Schülerin fleißiger sein? Wahrscheinlich nicht.
Lehrerin werden? Vielleicht.
Schreiben? Ganz bestimmt.
Denselben Mann heiraten? Mit ziemlicher Sicherheit.
Kinder haben? Auf alle Fälle.
Allerdings würde ich in einem neuen Leben viel längere Zeit bei meinen Kindern bleiben, wenn sie klein sind. Diese Zeit ist so kurz.
Ich bin immer schnell wieder in meinen Lehrerberuf zurückgekehrt. Das tut mir heute wirklich Leid. Mein Leben ist in dieser Zeit immer so schrecklich übergelaufen. Ich war eingespannt in zwei unterschiedlichen Welten und musste mich immer in alle Richtungen zerreißen. Meine Kinder haben immer eine gelassene Mutter vermisst, die mal in aller Ruhe das Mittagessen vorbereitet hat, wenn sie hungrig aus der Schule kamen. Sie haben es mir nie vorgeworfen und doch erinnern sie sich an Hetze und Müdigkeit, an Fastfood und Streit bei den Hausaufgaben. 
Dabei ging es mir im Vergleich zu anderen Müttern noch gut. Ich hatte nur eine Teilzeitstelle und gemeinsame Ferien mit den Kindern.
Heute werde ich immer ganz betroffen, wenn die Diskussionen über die Kinderbetreuungen losgehen. U3 hat man es locker abgekürzt, als ginge es um eine chemische Formel. Dann werden Behauptungen aufgestellt, Kinder würden in dieser Betreuung besser gefördert als zu Hause. Gerne werden alle Eltern auch mit den Eltern über einen Kamm geschoren, die ihre Kinder verwahrlosen lassen.
Damit wir uns nicht falsch verstehen, ich verstehe gut, dass Eltern eine bessere Kinderbetreuung fordern. Ich weiß auch, dass Familien – besonders Frauen -  in der Karriere benachteiligt sind, dass sie mit einer Teilzeitbeschäftigung unterbezahlt sind und nicht so durchstarten können, wie Single.
Aber diskutiert eigentlich mal jemand, dass Kinder sich gar nicht so wegrationalisieren lassen? Dass sie krank werden. Dass es auch Tage gibt, in denen sie nicht in so eine Einrichtung möchten. Weiß jemand, wie das ist, wenn man sein Kind zum Kindergarten bringt, und es weint dicke Tränen an der Tür, es läuft hinter einem her und klammert sich fest, es erbricht sich schließlich.
Weiß jemand, wie das ist, wenn der Arbeitgeber mal eben noch einen Termin dazwischen schiebt, aber die Einrichtung macht zu.  
U 3 ist eine Formel, das Leben sieht anders aus. Und ich möchte den Menschen Mut machen, einfach mal zu einem gelassenen Familienleben zu stehen. Ich jedenfalls würde mich heute dafür entscheiden.  

 (Foto: Mein Sohn Benny)

5 Kommentare:

  1. Liebe Annette,

    da könnte ich jetzt ganz viel zu schreiben. Zu den Vorurteilen gegen Nur-Mütter, zu den Ansprüchen der angeblich wohlmeinenden Nachbarn, zu den eigenen Minderwertigkeitsgefühlen, wenn man ausschließlich für die Kinder da ist. Vor allem aber möchte ich Dir zustimmen:
    Diese Zeit kommt nie zurück, und ich bin sehr dankbar, dass ich sie so ausgiebig genießen durfte. Diese Situationen mit dem heulenden Kind und dem fordernden Arbeitgeber musste ich glücklicherweise nicht erleben.
    Es ging auch ohne U3.
    Jetzt ist mein Kleinster schon 4. Trotzdem muss man sich immer an den Haaren aus der Arbeit herausziehen, um lieber mal Pfannkuchen zu backen. Schade, dass man so spät merkt (und gerade die Männer merken es zu spät!), dass alles wichtiger ist als der Job.

    Liebe Grüße,
    Nikola

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  2. Anstatt all diese Rechte, Pflichten und Herdprämien zu diskutieren, sollten wir uns eigentlich lieber um eine Gesellschaft bemühen, in der alle Modelle gleich möglich sind - die Karrieremutti genauso wie die Muttikarriere. Man sucht sich nicht immer aus, was man wie macht, aber man sollte, unabhängig von der Wahl, ein gutes Auffangnetz haben.

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  3. Liebe Annette, du sprichst mir aus der Seele! Wobei ich nicht finde, dass Kinder allein Müttersache sind - ich kenne inzwischen Familien, da ernähert die Mutter die Familie und der Vater betreut das Kind oder beide teilen sich Erwerbs- und Familienarbeit. Auch das geht. Und wenn die Arbeitswelt familienfreundlicher für BEIDE Elternteile würde und eine Pause nicht gleich das Karriereende bedeutet, dann wäre auch schon viel gewonnen.

    Aber dieses ganze Frühförderungsgerede, da bin ich völlig deiner Meinung! Dabei ist die beste Frühförderung meiner Meinung nach die, den Kinder Zeit zu geben, die Welt zu entdecken und sich zu entwickeln, und zwar ohne aufgesetzte Vorgaben und Regeln, sondern nach ihrem eigenen Tempo. Aber das geht heute ja gar nicht mehr, weil schon Kinder übervolle Terminkalender haben, denn sie müssen ja unbedingt gefrühfördert werden.

    Der Gipfel sind dann Meldungen wie die heute in NRW, dass das Land den Standard bei den Krippenplätzen senken will, um noch die Quote erreichen zu können ... 15 U3-Kinder pro Gruppe, sind die Überlegung. Massenverwahrung zum angeblichen Wohle der Kinder. Gruselig.

    Liebe Grüße, Luise

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  4. Ja liebe Annette, es wäre wirklich schön, wenn Mütter länger bei ihren Kindern bleiben könnten. Den Kindern würde es gut tun und ich denke den Müttern auch. Sie müssten nicht immer mit dem Gedanken im Hinterkopf rum laufen, werde ich Beruf, Haushalt und Kindern gerecht.

    Leider ist es zur heutigen Zeit so, dass viel Mütter wieder arbeiten gehn müssen, weil ein Verdienst nicht ausreicht.

    Einen schönen Abend noch und liebe Grüße
    Angelika

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  5. Danke für eure interessante Einschätzungen.

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