Als Jugendliche liebte ich die Fernsehsendung
Aktenzeichen xy ungelöst. Ich litt mit den Opfern, war aber auch fasziniert von
der Tatsache, dass diese Fälle wirklich passiert waren. Und irgendwann begann
ich selbst, meine Aktenzeichen-Filme zu drehen. Im Kopf natürlich.
Wir wohnten in dem kleinen beschaulichen
Städtchen Lemgo, ziemlich nah am Zentrum. Wenn ich abends ausging, verzichtete
ich auf das ziemlich halbherzige Angebot meines Vaters, mich abzuholen, sondern
machte mich zu Fuß auf den Weg durch die Dunkelheit nach Hause. Okay, Lemgo ist nicht Berlin, aber krumme
Gestalten lungern in jeder Stadt herum, besonders nachts.
Ich schaute kurz auf die Uhr. Dann ging ich
los, und automatisch startete ich meinen inneren Film.
„Es war 0.32 Uhr, als sie die kleine
Studentenkneipe in der Innenstadt verließ“, begann mein Kopfkrimi. „Die 17-jährige
Schülerin Annette Weber ging ein kleines Stück den Wall entlang, bog dann in
die Mittelstraße ein.“
Gestalten kamen mir entgegen. Mein Herz
klopfte, aber ich ging ihnen mutigen Schrittes entgegen. Hatten sie ein Messer
bei sich? Trugen sie eine Waffe? Nein. Sie betrachteten mich genauso ängstlich,
wie ich sie.
„Auch die beiden Männer konnten sich noch
erinnern, Annette Weber gegen 0.45 Uhr in der Mittelstraße gesehen zu haben“,
fuhr ich mit meinem Kopfkrimi fort.
Jedes Auto, jeder Passant wurde mit Tatzeit
und Ortsbeschreibung in meinem Film dazu gefügt. Gleichzeitig stieg meine Aufregung
bei jeder Begegnung. Denn aus den Aktenzeichenfilmen wusste ich, irgendwann
passiert der Mord. So lösten schließlich die Personen, die ich kurz vor unserem Haus traf, eine richtige Panik aus.
Eine letzte Angst, als ich den Schlüssel ins
Schloss steckte - denn es gab oft Opfer, die kurz vor ihrem Haus überfallen
wurden - dann stand ich im Hausflur. Mein Herz schlug bis zum Hals. Ich hatte überlebt. Das war kaum zu
glauben.
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