Sonntag, 31. Mai 2015

Die richtige Strategie


Immer wieder gibt es eine neue Lernmethode, die verspricht, nun endlich alle erdenklichen Lernprobleme zu beseitigen und die Lesefähigkeit, die Rechtschreibung, die Sprachen und die Mathematik für immer und ewig in Schülerhirne einzubrennen. Doch leider entpuppt sie sich nach kurzer Zeit als Flopp, ein Grund mehr, weiter nach ihr zu forschen.
Ganzheitsmethode, Buchstabenlernen, Mengenlehre, vereinfachte Ausgangsschrift, Lernen durch Suggestion - was haben wir nicht schon alles erfolglos ausprobiert und zur Seite gelegt.
Mit Grausen erinnere ich mich an die Zeit, in der Referendare im Sportunterricht ein Gerät aufbauten und stundenlang mit den Schülern darüber diskutierten, was man damit machen könnte. Die Schüler kamen ohne eine einzige Schweißperle aus dem Unterricht.
Oder die Zeit, als jeder Referendar eine Stilleübung machte, und man sich einfach nur wünschte, die Kinder würden endlich mal wieder reden dürfen.

Nun ist das Strategiedenken an der Reihe. Wenn du die richtige Strategie wählst, schreibst du erfolgreich Diktate und Aufsätze, hältst ein fantastisches Referat und erarbeitest dir einen Lesetext, verspricht die Methode. So werden auch die Schulbücher neuerdings streng strategisch gegliedert, und der Schüler Schritt für Schritt an die Hand genommen.
Zwischendurch war ich ja mal nah davor, dieser Methode zu verfallen – und wagte sogar schon zu denken, wenn es diese Methode zu meiner Zeit gegeben hätte, hätte ich vielleicht nicht so ein mäßiges Abitur gemacht.
Aber es fehlt eben wie bei allen Methoden die Abwechslung und das ganzheitliche Denken. Schüler müssen schon auch Spaß und Kreativität zum Lernen mitbringen, sie brauchen ein gutes Lernklima, nette und zugewandte Lehrer – und auf alle Fälle ein Elternhaus, das sie trägt.
By the way; Auch ein bisschen Methodenabwechslung hat noch nie geschadet! 

Mittwoch, 27. Mai 2015

Balance


An diesem Nachmittag ist es meine Aufgabe, die Enkelkinder zu hüten. Wir gehen auf den Spielplatz des Camps. Während Tim mit seinen Autos im Sandkasten vor sich hin brummt, mache ich es mir auf der Wippe bequem. Ich setze mich in die Mitte des Holzbalkens, suche die Balance und ziehe die Beine nach. Es geht nur einen Augenblick gut. Dann kippt die Wippe zur anderen Seite, und ich poltere mit einem ungeschickten Salto ins Gras. Das geht so schnell, dass ich nicht mal „huch“ sagen kann. Es tut verdammt weh. Mühsam rappele ich mich wieder auf die Beine und schaue in die bewundernden Augen meines Enkels.
„Oh, Omi, toll!“, sagt er. „Noch mal. Bitte!“
Da fühlt man sich doch ein bisschen vera…

Donnerstag, 21. Mai 2015

Mal was anderes


Seit dem Himmelfahrtswochenende verbringe ich meine Zeit nun auf unserem neuen Campingplatz, verkaufe Eis, Brötchen und die Bildzeitung, checke ein und aus, fege den Marktplatz, betreue die Enkel, plaudere mit Campern und schreibe, wenn es die Zeit erlaubt, an einigen Manuskripten.
Es ist ein abwechslungsreiches Leben voller Geschichten, und doch verwirrt es mich immer noch, dass ich plötzlich in so ein ganz anderes Leben an einem ganz anderen Ort mit ganz anderen Menschen geworfen bin.
Und doch ist es aufregend, mal etwas ganz anderes zu machen.
Manchmal erreicht mich eine Leseanfrage, und ich brauche einige Zeit, sie zu verstehen. Sie gehört in eine Parallelwelt.
Bis Pfingsten bin ich noch hier – denn da sind alle Kräfte gefordert. Dann kehre ich erst mal wieder in mein altes Leben zurück.


Donnerstag, 14. Mai 2015

Damals…


Zwei Freundinnen von mir werden in diesem Jahr 70. SIEBZIG! Das ist eigentlich unfassbar. Aber ich bin so froh, dass es ausgerechnet diese beiden Frauen sind, die mich auf eine Zehnerzahl im Geburtstag vorbereiten, die mir erst mal unvorstellbar alt erscheint. Diese Frauen sind nämlich total klasse, klug, offen, warmherzig,  tolerant – sie machen Mut, älter zu werden.
Auf der Suche nach einer Geburtstagskarte für sie resigniere ich fast. Sie soll etwas Besonderes sein. Nicht dieser typische Blumenkranz vor einem Holztor- oder Fußspuren im Sand-Karte, schon gar nicht eine Karte mit diesen frommen Sprüchen „Sorge dich nicht, lebe“ oder „Das Eigentliche ist für den Menschen unsichtbar“…
Endlich finde ich eine Karte, die passt. Ein VW-Bulli mit bunten Blumen und Luftballons, AKW-nein-danke -Stickern, Peace-Zeichen und Frauenpower-Aufklebern.
Mangels Alternative kaufe ich für beide Freundinnen die gleiche Karte.
Der Verkäufer ist überrascht. „Ich habe die  bestellt“, sagt er. „Und meine Frau sagte noch: Du immer mit deinem VW-Bulli. Sowas kauft doch kein Mensch.“
„Und ich kaufe sie jetzt gleich zwei Mal“, sage ich. „Das ist ja ein guter Schnitt.“
Er nickt.
„Das ist ja auch unsere Generation“, sage ich. „Flower Power, und diese alten Bullis.“
Er nickt wieder. Und nun wird er richtig gesprächig.
„Wir hatten einen blauen VW Bulli. Bis Griechenland sind wir damit gefahren.“
„Wir waren mit einem alten Hanomag Richtung Nordkap unterwegs. Weiter als Hammerfest haben wir es aber nicht geschafft“, erzähle ich.
Und plötzlich schwelgen wir in der Vergangenheit. Wie war das noch, als die Telefone noch grün waren und eine Wählscheibe hatten. Als die Pullover noch selbst gestrickt wurden, und die Cordhosen so eng abgenäht wurden, dass man die Knie nicht mehr knicken konnte.
Wir reden, lachen, staunen, erinnern uns.
Ob die Zeiten besser oder schlechter waren? Keine Ahnung. Ist doch egal. Es war unsere Zeit. Das allein genügt.

Und hier mal ein Foto aus einem alten Album. Ich bin die Frau ganz links.

Montag, 11. Mai 2015

Schülerpost aus der Grundschule


Seit einiger Zeit schreibe ich nun auch für die Grundschule, nämlich für die dreistufige Grundschulreihe, die sich KidS nennt. Auch bei dieser Lektüre fordere ich die Schüler am Ende auf, mir einen Brief zu schreiben, und mir zu berichten, wie ihnen die Bücher gefallen haben. Allmählich trudeln die ersten Rückmeldungen bei mir ein.
Diese zwei-Satz-Briefe in großen mühevollen Buchstaben und Bleistiftschrift geschrieben, in denen die Bilder dominieren, lassen mein Grundschullehrerherz immer gleich höher schlagen, und ich bin echt gerührt.
Manchmal aber bekomme ich auch richtig ausführliche Briefe aus den 2. oder 3. Klassen – und stelle dann erstaunt fest, dass sie mit dem Niveau der 7. Klassen durchaus mithalten können.  


Donnerstag, 7. Mai 2015

Das Lese-Trainingsprogramm Textebene


Das Lese-Trainingsprogramm Textebene setzt voraus, dass den Lesern alle Buchstaben vertraut sind, sie aber nun ihre Lesefähigkeit allmählich steigern wollen. So beginnt das Trainingsmaterial zunächst bei einfachen 3-Satz-Texten, erhöht dann aber den Textumfang Schritt für Schritt und fragt das erlesene Textmaterial auf unterschiedliche Weise ab.
Auf die Weise wird es jedem Leseanfänger möglich sein, zu schnellen Erfolgserlebnissen zu kommen. 

Sonntag, 3. Mai 2015

Rotznasen



Kinder sind wie Katzen. Wen sie mögen, suchen sie sich selbst aus. Ich habe es nun geschafft, Claras Herz zu gewinnen – war sie doch lange Zeit das absolute Mamakind. Doch nun rennt sie lachend auf mich zu („OmiOmi“), streckt mir ihre Arme entgegen und will auf den Arm. Und dann rubbelt sie ihre Nase an meine Wange und küsst mich. Eigentlich wäre dieser Moment für jede Omi der Moment des absoluten Herzstillstands, wäre da nicht das Wissen, dass dieses ziemlich feuchte Küsschen auch mit der ständig triefenden Nase in Verbindung steht. Und so kommt es wieder mal, wie es immer kommt – diese multiresistenten Keime, die die Kinder aus dem Kindergarten mit nach Hause schleppen, fallen über mich her und hauen mich wieder mal aus den Puschen. Innerhalb von wenigen Stunden kriegt meine sowieso schon sehr tiefe Stimme diesen Erotikhauch von Hildegard Knef. Dann verstopft meine Nase und ein Schüttelfrost breitet sich von Nacken aus über meinen Körper. Von Fieberschüben geschüttelt suche ich um fünf Uhr das Bett auf und schlafe durch bis zum nächsten Tag.
Clara ist begeistert, als sie mich wieder sieht. Mit „Omiomi – Arm“ kommt sie mir entgegen gelaufen und rubbelt ihre Triefnase an meine Wange. Oh Mann, wir Omis sind den Alltagskeimen der Kinder einfach nicht mehr gewachsen.