Sonntag, 27. Februar 2011

Vom Netz abgeschnitten


Irgendwann in einer Umzugsphase kommt der Tag X. Der Tag, an dem man seinen DSL-Anschluss kündigen muss. 
Bei uns ist es morgen soweit.
Der neue Anschluss im neuen Haus ist in den nächsten Tagen zugesagt, aber man kennt ja die Versprechen der Telefongesellschaft. Das kann trotzdem dauern.

Für die nächsten Tage heißt es also: Kein soziales Netzwerken, kein Internetserven, kein bloggen. Mails nur noch auf dem Handy lesen.
Das wird bestimmt seltsam. 
Was haben wir eigentlich gemacht, als wir noch nicht online waren?
Muss ewig her sein.

Wundert euch also nicht, wenn es in den nächsten Tage etwas stiller in diesem Blog zugeht.
Wenn ich wieder dabei bin, wohne ich in einem anderen Haus und ein neuer, anderer Lebensabschnitt steht an. 
Diese Umbruchphase, in der ich mich im Moment befinde, ist nervenaufreibend und doch spannend. 
Ich bin traurig über den Abschied.
Ich freue mich total auf den Neuanfang.

Donnerstag, 24. Februar 2011

Auftragsarbeiten

Immer wieder begegnet man Menschen, die denken, ein Autor sitzt in seinem Kämmerchen und wartet darauf, dass ihn die Muse küsst. Dann schreibt er los - und er schreibt und schreibt. Wie in Trance. Er kann gar nicht anders. Eines Tages wird dann aus diesem Buch ein Bestseller. Dann wird der Autor steinreich. Wenn er aber Pech hat, wird er erst nach seinem Tode berühmt.

Tja, Leute, auch wenn es jetzt hart für euch ist. Ich will und muss euch die Wahrheit sagen. Wir Autoren werden gar nicht immer von der Muse geküsst. Meist machen wir uns einen ordentlichen Plan von unserem Buch. Wir bewerben das Exposé bei einem Verlag, und wenn es genommen wird, müssen wir das Buch zu einem bestimmten Termin fertig haben. Und dann kann es passieren, dass wir am Schreibtisch sitzen und null Bock haben. Und zwar sowas von null Bock, dass es schon gegen minus 10 geht...

Auch auf die dicke Knete eines Bestsellers können wir nicht warten. Man könnte nämlich dabei verhungern. 
Wenn man vom Schreiben leben will, muss man realistisch bleiben und schauen, wie man sein Geld verdient, um seine Suppe warm zu kriegen.
Ich zum Beispiel schreibe häufig Auftragsarbeiten - und um ehrlich zu sein, ich schreibe sie sogar gerne. Dabei ist jetzt nicht die große Kreativität gefragt, aber solides Handwerkszeug muss man mitbringen. Manchmal ist dieses Auftragsschreiben ganz erholsam.

Einen Verlag, für den ich oft und schon über lange Zeit Auftragsarbeiten schreibe, ist die Edition XXL. Für diesen Verlag erzähle ich Klassiker nach, oder ich erstelle ein Buch zu einem Film. 
Die Zusammenarbeit ist total nett und absolut unkompliziert. Wir können uns aufeinander verlassen und wissen, was wir voneinander erwarten. Dass ich diesen Verlag für meine Auftragsarbeiten zur Seite habe, ist ein großes Glück.
Heute ist mein neustes Buch "Die kleine Meerjungfrau" erschienen. Das Schöne an diesem Buch ist, dass das Märchen von Hans-Christian Andersen zu meinen Lieblingsmärchen gehört, und ich es genossen habe, es noch einmal ganz in Ruhe zu lesen und mit meinen Worten erzählen zu können.

Mittwoch, 23. Februar 2011

Lesung in Wiehl


Heute war ich wieder on the road. Die Hugo-Kükelhaus-Schule, eine Förderschule für körperliche und motorische Entwicklung in Wiehl im Bergischen Land hatte mich zu einer Lesung eingeladen. 


Die Oberstufe der Schule empfing mich total liebevoll. Sie hatten sich gut auf die Lesung vorbereitet.
Hier ein Blick auf meinen Lesetisch. Süß, oder?


Die drei Klassen der Abschlussstufe hatten das Chatbuch von mir gelesen. Jetzt nahmen sie gerade das Buch "Aber ich bin doch selbst noch ein Kind" im Unterricht durch. 
Zu mir und meinem Schreiben hatten sie viele Fragen. 
Ich las dann aus "Merkt doch keiner, wenn ich schwänze" und zeigte den Schülern auch, wie ich eine Idee zu einer Geschichte entwickle.
Die Zeit verging total schnell.

In der Pause durfte ich auch dabei sein, als die Schulband probte. 
Es gab "Highway to hell." 
Ich grüße euch alle herzlich und danke euch noch mal für die nette Einladung.

Dienstag, 22. Februar 2011

Die Realität in meinen Büchern


"Haben Sie so was schon erlebt", fragen mich Schüler oft in den Lesungen. 
Aber das habe ich nicht. Ich bin weder Alkoholiker, noch chatte ich viel, schon gar nicht habe ich die Schule geschwänzt. (Ich bin doch Lehrerkind. Das hätte den totalen Ärger gegeben.)
Um die Personen in meinen Büchern entstehen zu lassen und um sie zu verstehen, lese ich zunächst viel über das Thema. Dabei ist das Internet eine Goldgrube. Hier gibt es viele Sachtexte, Selbsthilfe-Foren und auch persönliche Blogs. 

Das Interessanteste aber erfahre ich aus Gesprächen mit Betroffenen.
Für mein Buch "Sauf ruhig weiter" war ich natürlich bei den Anonymen Alkoholikern. Ich habe auch mit Jugendlichen gesprochen, deren Eltern tranken oder die Freunde hatten, die Alkoholiker waren. 
Für das Buch "Aber ich bin doch selbst noch ein Kind" war ich bei der Pro Familia und habe erlebt, wie sie bei solchen Problemen beraten. Dann habe ich zwei junge Mütter besucht, und ich war im Mutter-Kind-Heim.
Und für das Buch "Im Chat war er noch so süß" habe ich mit dem Jugendamt und der Kripo geredet. Aber ich war natürlich auch unter verschiedenen Namen in Lovechats und habe verschiedene Sachen ausprobiert. Das ist natürlich noch mal eine ganz andere Nähe zum Thema. 
Ich hatte manchmal ganz schön Herzklopfen, wenn auch ich diese typischen Fragen gestellt kriege: "Welche Unterhose trägst du" oder "Bist du noch Jungfrau." Manchmal hatte ich wirklich richtig Angst, hatte das Gefühl, der Chatpartner starrt direkt in mein Arbeitszimmer. 

Dann schreibt sich so ein Buch eigentlich fast von alleine.

Montag, 21. Februar 2011

Übersetzungsprobleme


Chorprobe mit dem deutsch-türkischen Chor, in dem ich seit einiger Zeit singe. 
Wir haben demnächst ein kleines Konzert in einer Kirche, in der wir christliche und islamische Lieder singen wollen. Darum lernten wir gestern ein religiöses islamisches Lied, ein Ilahi. Es heißt Sordum Sarı Çiçeğe. Auf deutsch: Ich fragte die gelbe Blume. 

Immer bin ich fasziniert von der poetischen türkischen Sprache. Ich habe ja lange türkisch gelernt, und beim Übersetzen und Singen kommen mir so viele Vokabeln wieder, die ich in irgendeiner hinteren Gehirnwindung vergraben habe.

Wie immer sprechen und übersetzen wir die Texte zunächst für alle. Dabei stolperten wir über das Wort "Evlat". Die türkischen Frauen suchten nach einer Übersetzung. "Kind" würde es heißen, aber doch nicht wirklich Kind, denn Kind heißt ja eigentlich Çocuk. Aber ein Evlat ist ein anderes Kind, ein Kind, für das es im Deutschen keine Übersetzung gibt. Ein Familienkind. So etwas wie Sohn oder Tochter, nur eben nicht geschlechtsspezifisch.

Wie ich diese Sprachunterschiede liebe! In einer Sprache spiegelt sich die Kultur des Landes, erst recht in der Sprache eines Liedes. 
Die Familie bedeutet alles in der Türkei. Während wir mit den Worten Onkel, Tante, Cousin oder Cousine schnell an unsere Grenzen kommen, haben die Türken noch Vokabeln für  die angeheiratete Tante mütterlicherseits. Ich vermute sogar, sie haben noch ein Wort für den Cousin des Großonkels väterlicherseits. 

Wunderschön sind auch die türkischen Vornamen. Die Türken nennen ihre Kinder Schneeglöckchen oder Rosenfrühling. Bei uns wäre das der Name für eine Elfe.

Freitag, 18. Februar 2011

Bloß kein Denkmal

"Wenn man einen Menschen auf ein Podest stellt, macht man das in der Regel, um an seinem Sockel zu sägen", pflegte der Gestalttherapeut immer zu sagen, bei dem ich meine Ausbildung gemacht hatte. 
Wie Recht er doch damit hat. Immer wenn die Medien jemanden hochpuschen, warte ich mit Sorge auf den Moment, in dem sie ihn vom Denkmal stoßen.

Diesmal trifft es unseren Minister von und zu Guttenberg. 
Die Medien hatten ihn hochgejubelt, seine Tatkraft gewürdigt, ihn schon als Bundeskanzler der Zukunft gesehen. Aber sein sicheres und aristokratisches Auftreten und sein gutes Aussehen waren einfach zu viel des Guten. Da schlug die Welle schnell um.
Man suchte und fand. Erst gerieten die Vorfälle auf der Gorch Fock in seinen Verantwortungsbereich, doch gelang es ihm einigermaßen tapfer, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. So suchte man weiter.
Eine Doktorarbeit ist ein sicheres Feld. Falsche Zitate oder "vergessene" Fußnoten findet man sicherlich in jeder Arbeit.
Einer brachte zur Freude der Medien den Stein ins Rollen. Dann wurde die Doktorarbeit Guttenbergs von vielen gegoogelt und die Sätze durch Suchmaschinen gejagt. Ergebnisse wurden gefacebookt oder getwittert. 24 falsche Zitate twitterte man gestern Nachmittag, 32 abends und 50 heute morgen. 
Bei Revolutionen und Auflehungen gegen Diktaturen ist das Internet ein wahrer Segen, bei der Jagd auf einen einzelnen aber ein Fluch.

Eins kann den armen Minister vielleicht trösten.
Eine Doktorarbeit wird in der Regel nur von 10-20 Personen gelesen.
Seine Arbeit aber geht sicherlich schon in die 3. Auflage.

Donnerstag, 17. Februar 2011

Lesung an der Liboriusschule in Paderborn


Heute hatte mich die Klasse 11 b der Liboriusschule in Paderborn zu einer Lesung eingeladen. Sie und auch die Parallelklasse hatten Bücher von mir gelesen und wollten mich gerne persönlich kennen lernen. 
Wir begannen mit einem gemütlichen Frühstück. Das war für mich besonders toll, denn erstens war es lecker, und zweitens hatte ich so die Gelegenheit, die Schüler kennen zu lernen. Wir machten eine Gesprächsrunde, jeder stellte sich vor und erzählte ein bisschen über sich. 

Die Lesung fand dann mit der Parallelklasse zusammen in einem größeren Gruppenraum statt. Ich las aus "Keine Chance, wer geht denn schon mit Türken" und aus "Abgemixt". 
Danach hatten die Schüler noch viele Fragen. Außerdem musste ich natürlich die Bücher singnieren und Autogramme verteilen.

Dann nahmen sich Lehrer und Schüler noch Zeit, mir die Schule zu zeigen. Das war ganz besonders spannend für mich. 
Die Liboriusschule ist eine Schule für Körperbehinderte. Sie ist toll ausgestattet, mit verschiedenen Therapieräumen, Werk- und Musikräumen, Sporthallen und sogar einem eigenen Schwimmbecken. 
Eine Schülerin die nicht sprechen konnte, demonstrierte mir auch, wie sie sich mit dem Sprachcomputer verständigt.

 
Eine ganze Weile verbrachten wir an einer Erinnerungsecke für die verstorbenen Schüler. Besonders betroffen machte alle der Tod einer Schülerin, die bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. 
So eine Gedenkstelle in einer Schule habe ich noch nie gesehen. Ich fand es eine liebevolle Idee, den Schülern einen Ort zu geben, an ihre Mitschüler zu denken


Einen herzlichen Dank an euch alle, besonders natürlich an die Lehrer und Integrationshelfer, die diesen interessanten Morgen möglich gemacht haben.

Mittwoch, 16. Februar 2011

The Versatile Blogger

Uups, gestern hat mir Uta vom Lyrics unter der Lupe den "Versatile Blogger" verliehen. Ich weiß gar nicht so genau, was das ist, aber sie wollte damit vor allem ausdrücken, dass ihr mein Blog gut gefällt.
Vielleicht ist diese Auszeichnung ein bisschen so wie das Jodeldiplom bei Loriot, aber es freute mich trotzdem sehr. Diese nette Rückmeldung kam vor allem gerade an einem Tag, als ich sehr an meinem Blog zweifelte, und dachte: "Wer liest es überhaupt" - und auch "Was habe ich denn schon Wichtiges zu sagen"...
So sehe ich es erst mal als Motivation, weiter zu schreiben.
Herzlichen Dank also an dich, Uta.

Mit diesem Preis sind zwei Verpflichtungen verbunden. Man soll sieben Dinge über sich erzählen, und dann soll man den Preis an andere Blogger weiter geben, die noch nicht allzulange bloggen. 

Also, dann fang ich mal an und erzähle sieben Sachen über mich:

1.) Ich bin schreibsüchtig.

2.) Ich liebe Brasilien.

3.) Ich kann nicht gut kochen.

4.) Ich lebe zur Zeit zwischen den Kisten.

5.) Ich mag Waldorfschulen.

6.) Ich reise gerne mit dem Wohnmobil.

7.) Meine Familie ist das Wichtigste für mich.


So, nun gebe ich den Versatile Blogger weiter an:




Ich bin mir etwas unsicher, ob ihr euch über diese Auszeichnung freut. 
Jedenfalls will ich euch damit sagen, dass ich euren Blog gerne lese.


Dienstag, 15. Februar 2011

Blick in einen Abgrund

Gestern musste ich eine fremde Wohnung bereten. Schwierige äußere Umstände machten diesen Schritt nötig. 
Ich ging in diese Wohnung, ohne eingeladen und ohne erwünscht zu sein. 
Das war ein unheimliches Gefühl. 

Als ich die Wohnung betrat, traf mich fast der Schlag. Der Müll stapelte sich bis unter die Decke, und aus allen Räumen schlug mir ein unerträglicher Gestank entgegen. 
Doch obwohl es so schrecklich war, ging ich weiter. Schaute in jedes Zimmer. Fasziniert und angewidert zugleich.
Ich überlegte die ganze Zeit, was wohl in so einem Menschen vor sich geht, wenn er abends nach der Arbeit in diesen Müllhaufen zurück kehrt. Ich fragte mich, wo der Typ wohl schläft oder wo er etwas isst. 
So etwas hatte ich noch nie vorher gesehen. Nicht einmal im Fernsehen. 

Es war dieses Gefühl: Du machst die Tür auf und schaust in einen menschlichen Abgrund.

Sonntag, 13. Februar 2011

Eine Kindheit in Schweden

Wie viele Kinder in aller Welt habe auch ich meine Kindheit in Schweden verbracht. 
Damals hieß ich Lisa und lebte mit meinen Brüdern Lasse und Bosse auf dem Mittelhof in Bullerbü.
Oft traf ich mich auch mit meinen Freunden Kalle Blomquist, Eva-Lotte und Anders, um in den Straßen von Kleinköping Banditen zu stellen.
Und in den Ferien lag ich zwischen Pelle und dem Bernhardiner Bootsmann auf dem Bootsanlegersteg der Insel Saltkrokan, und plante, die Welt zu retten.

Erst viel später reiste ich wirklich nach Schweden. Doch ich spürte sofort eine tiefe Verbundenheit mit diesem Land. Die roten Häuser, die tiefblauen Seen, die Wälder und die friedlichen Kleinstädte waren mir so vertraut. 
In diesem Land entdeckte ich einen Teil meiner Kindheit wieder.
Dank Astrid Lindgren.

Freitag, 11. Februar 2011

Treffen mit Djamal

Ich stehe am Bahnhof einer großen Stadt und warte auf Djamal, der letzte Jugendliche, den ich beim Schreiben der Biografie begleite. Ich bin gespannt, ob ich ihn wiedererkenne. Er sah immer so unterschiedlich aus. Im Gefängnis mit Knastkleidung und düsterem traurigem Gesicht, auf der Bank an einem Spielplatz mit schmutzigen Sachen, einer bunten Mütze und geweiteten Pupillen, dann mal mit schwarzer Lederjacke und langen Haaren.
Der Djamal, der mir nun entgegen kommt, ist völlig verändert. Er lacht, und um seine Mundwinkel bilden sich kleine Grübchen. Richtig jungenhaft sieht er jetzt aus.

Als er nach 1 1/2 Jahren aus der Haft entlassen wurde, stand er vor einem Scherbenhaufen. Von den Eltern verstoßen, hatte er keinen Personalausweis und keine Aufenthaltserlaubnis. Er konnte keine Wohnung mieten, keine Arbeit suchen, nicht zur Schule gehen und kein Konto eröffnen. Immer wieder war ihm die Polizei auf den Fersen. 200 Sozialstunden hatte er als Bewährungsauflage bekommen.
Das kann man gar nicht schaffen, habe ich so oft gedacht. Schon gar nicht mit 18.
Aber Djamal hatte ein klares Ziel vor Augen. Nie wieder Gefängnis.

Wo ich konnte, habe ich ihm geholfen. Auch der Verlag war zur Stelle, wenn Not am Mann war.
Eine tolle Arbeit leisteten die Sozialarbeiter und Streetworker. Sie erstellten Wochenpläne für ihn, unterstützten ihn bei Amtsgängen und Gerichten, begleiteten ihn auch psychisch.
Die genialste Arbeit aber leistete Djamal selbst. Er hielt sich genaustens an seinen Wochenplan und arbeitete außerdem seine Sozialstunden ab. Als er endlich den Perso hatte, suchte er sich eine kleinen Wohnung und beantragte Hartz IV. Im Sommer wird er wieder zur Schule gehen.
Er hat es noch nicht geschafft.
Aber es sieht verdammt gut für ihn aus.

Sein Buch "abgeschoben" erscheint im Herbst.

Mittwoch, 9. Februar 2011

Wie die Reihe "KLAR-reality" entstand

KLAR-reality heißt die Reihe, in der ich Jugendliche begleite, ihr Leben aufzuschreiben. Fünf Bücher sind bis jetzt in dieser Serie entstanden, drei erscheinen noch. 

Die Idee zu so einer Reihe war immer mal wieder Thema im Verlag, aber so richtig konkret wurde sie für mich, als ich eines Tages gemütlich durch die Fußgängerzone schlenderte. Ich sah vor einem Geschäft ein Mädchen sitzen, dass das Schild "obdachlos" neben einer Pappschachtel aufgestellt hatte. Und als ich genauer hinschaute, lief mir ein Schauer über den Rücken. Ich kannte das Mädchen nämlich. 
Entsetzt setzte ich mich neben sie in die Fußgängerzone (witziger Weise steigerten sich dadurch ihre Gewinneinnahmen) und redete mit ihr. Sie erzählte mir, wie es dazu gekommen war, dass sie jetzt hier saß. Schulabbruch, Streit mit den Eltern, Drogen und vor allem der obdachlose Freund, ihre große Liebe. Wir redeten lange miteinander. 
Ich wusste, dass das Mädchen sehr kreativ war. Sie konnte immer unheimlich toll zeichnen, und so fragte ich sie, ob sie sich vorstellen könnte, ihr Leben aufzuschreiben und als Buch zu veröffentlichen. Sie nickte, meinte, das könne vielleicht eine gute Chance sein, die Geschehnisse zu verarbeiten.

Ganz benommen und aufgewühlt von dieser traurigen Begegnung schrieb ich an den Verlag an der Ruhr und fragte nach, ob wir diesem Mädchen vielleicht eine Chance zum Schreiben geben könnten. Ich versprach, sie beim Schreiben zu begleiten und dafür zu sorgen, dass ein lesenswertes Buch dabei heraus kommt. 
Der Verlag zeigte große Anteilnahme. Sie berieten sich und stimmten schließlich zu, dieses Projekt ins Leben zu rufen. Dafür bin ich ihnen von ganzem Herzen dankbar. So ein Projekt abseits des Mainstreams zu entwickeln, ist ein großes Risiko. 
Nachdem ich die Zusage hatte, rannte ich sofort wieder durch die Fußgängerzone und traf auf das Mädchen. Doch sie war plötzlich nicht mehr bereit, zu schreiben. Zu tief war sie bereits im Drogensumpf versackt. 
Total traurig, aber nicht zu ändern.

Doch das Projekt war ins Leben gerufen, und so suchte ich andere Jugendliche, die gerne schreiben wollten. Ihre Bücher handeln von häuslicher Gewalt, von Drogen, Kriminalität, vom Ritzen oder von der Prostitution.

Montag, 7. Februar 2011

Der Prophet gilt nichts...


Eigentlich ist es mir ja piepsegal, ob die Lehrer des 15000-Seelen-Ortes, in dem ich lebe, wissen, dass es mich gibt. Aber in dem Moment, in dem ich Stund um Stunde in der Bahn sitze, in dem ich über den Bahnsteig renne, um den Anschlusszug zu erwischen, in dem ich allein in einem Hotelzimmer sitze und versuche, den Internetanschluss zu aktivieren, frage ich mich:
Warum in aller Welt muss ich eigentlich immer so weit fahren?
Warum kommen die Lehrer in meinem Heimatort nicht auf die Idee, mich mal zu einer Lesung einzuladen? 
Auch bei uns gibt es Schulen.
Auch bei uns gibt es Nichtleser.
Aber im eigenen Ort ist und bleibt ein Autor ein Hobbyschriftsteller. Der Heimatdichter, der seine Zeit damit verbringt, Gedichte in Sütterlin in ein Poesiealbum zu schreiben. 

Dafür aber ist mein Heimatort den Schülern in der Ferne unbekannt.
Erzähle ich bei einer Lesung, dass ich aus Bad Lippspringe komme, hat eigentlich niemand diesen Ortsnamen bis jetzt gehört. Und noch hundert Kilometer weiter kennen sie auch die Kreisstadt Paderborn nicht mehr. Und noch zweihundert Kilometer weiter muss ich meinen Wohnort mit "zwischen Hannover und Dortmund" definieren.
Das wenigstens ist mir eine kleine Genugtuung!

Sonntag, 6. Februar 2011

Wochenend-Plackerei

Meine lieben Blogleser, nur damit ihr wisst, dass ich am Wochenende nicht untätig auf sem Sofa liege...  Einen herzlichen Gruß direkt aus der Umzugskiste. 

Eigentlich macht es Spaß, jedes Teil unseres Hauses einmal in der Hand zu halten und nach den Kriterien "wegwerfen", "verschenken" oder "mitnehmen" zu bewerten. 
Gott sei Dank habe ich eine nette ältere Frau kennen gelernt, die jede Woche auf dem Flohmarkt steht und sich mit dem Verkauf von Gebrauchtsachen ihre Rente aufbessert. Sie kann eigentlich alles gebrauchen, und unter den Gesichtspunkten ist es viel leichter, die Dinge unter "verschenken" abzulegen.
Die Kistenberge wachsen trotzdem täglich.

Freitag, 4. Februar 2011

Es fließt wieder

Mein Schneckenhaustag hatte eine gute Seite. Jetzt fließt es wieder. 
Es ist nicht der totale Schreibflash. Eher ein gutes konzentriertes Arbeiten an verschiedenen Baustellen. Die Worte fliegen mir zu. Alles ist wieder da. Ich ruhe in mir und schreibe.

Als sich ein Schatten in mein Zimmer schiebt, falle ich fast vor Schrecken vom Stuhl. Mein Sohn. Er wolle nicht stören, sagt er höflich. Nur, nehmen wir einmal an, er ginge heute mal nicht in die Mensa... ob es dann auch hier etwas zu essen gäbe.
Oh Gott. Wie spät ist es denn?
Nach kurzer Diskussion einigen wir uns auf eine Fertigpizza.

Dann geht es weiter.
Nicht nur kreative Texte sind dabei. Auch Verwaltungsarbeit. Rechnungen fertig stellen, E-Mails beantworten, Schülerbriefe schreiben.
Abends bleibt das gute Gefühl, viel geschafft zu haben. 

Mittwoch, 2. Februar 2011

Der Tag danach

Tage nach den Lesungen sind Selbstfindungstage. Und dieses Wort ist eigentlich viel zu schön für das, was in mir vorgeht. Ich bin nämlich einfach nur schlecht gelaunt, muffelig und gelangweilt. 
Ich friere. Meine Haare liegen nicht. Meine Haut fühlt sich trocken und gespannt an.
Das Haus ist unordentlich. Die Betten müssen bezogen werden. Die Bügelwäsche wartet.
Ein Manuskript muss korrigiert werden.
Ich muss dringend ein paar Telefonate führen und einen Zug raussuchen. 

Aber ich sitze hier an meinem unaufgeräumten Schreibtisch und klage mein Leid in die Tastatur.

Dieses Wechselbad der Aufmerksamkeiten in meinem Leben ist immer sehr anstrengend. 
Da sitze ich in der Regel allein vor der Tastatur. Immer derselbe Schreibtisch, derselbe Ausblick aus dem Fenster, derselbe Tagesablauf.
Und dann plötzlich ist alles so anders, so unruhig, so hektisch.
Dann sitze ich früh morgens im Auto und fege über die Autobahn.
Ich stehe in einer Aula, in einem Klassenraum, in einer Bücherei.
Alle Blicke sind auf mich gerichtet. Ich bin im Mittelpunkt.

Dieses Wechselbad ist witzig und lebendig. Aber es kostet Kraft.
Und so muffele ich heute vor mich hin. 
Der Bick aus meinem Fenster ist grau.
Und die Wäsche bleibt auch erst mal liegen.

Dienstag, 1. Februar 2011

Wieder in Kassel



In Kassel werde ich oft zu Lesungen eingeladen. Oft bezeichne ich diese Stadt als meine "heimliche Lesehochburg".
Heute war ich an der Valentin-Traudt-Schule, einer bunten Multi-Kulti-Schule zu Gast. In dieser Schule lernen 17 unterschiedliche Nationen unter einem Dach. 

Diesmal findet eine Lesewoche in der Schule statt. Darum soll ich für die 8. und 9. Schuljahre aus verschiedenen Klar-Reality-Büchern vorlesen, die Biografien, die ich mit Jugendlichen zusammen geschrieben habe.
Die erste Gruppe Achtklässler empfängt mich reserviert. Mit Lesen haben sie nicht viel am Hut. 
Auch dass ein Autor in ihre Schule kommt, interessiert sie nicht wirklich.
Ich lese aus "abgehauen", "abgestürzt" und "abgemixt".
Die Schüler hören gut zu, aber sie äußern sich nicht zu den Büchern.
Ob sie noch Fragen haben?
Nein, keine Fragen.
Ob sie Autogramme haben möchten?
Na gut.
Als sie gehen, bin ich etwas ratlos. Wie ist es ihnen wohl ergangen? Die Geschichten sind ja nicht so einfach wegzupacken.
Als ich im Lehrerzimmer bin, bringt ein Schüler einen Brief. Die Schüler haben ihre Rückmeldungen notiert. Es hat ihnen gefallen. Besonders gut fanden sie, dass die Texte wirklich passiert sind. 
Ich bin froh, doch noch von ihnen zu hören. Und besonders erleichtert bin ich, dass es ihnen gefallen hat. 

Gruppe zwei ist lebendiger. Sie kennen schon viele Bücher von mir.
Wieder lese ich verschiedene Passagen aus den Klar-Reality-Büchern. Die realen Bücher gefallen ihnen, und sie wollen einiges über die Jugendlichen wissen. 
Einige könnten sich auch gut vorstellen, so ein Buch zu schreiben.

Zuletzt meldet sich noch eine 7. Klasse. Ob ich nach der Lesung noch mal ganz kurz bei ihnen reinschauen könnte. Sie haben mein Buch "Keine Chance, wer geht denn schon mit Türken" gelesen und wollen mal wissen, wie ich aussehe. Auch Fragen zu dem Buch haben sie.
Natürlich gucke ich gerne bei ihnen vorbei. Und fotografieren darf ich sie auch!