Dienstag, 29. September 2015

Schreibwerkstatt in Salzgitter



Sie liest mit ruhiger Stimme. Die Protagonistin ihrer Geschichte hat ein Kind bekommen. Stolz und dankbar betrachten sie und ihr Mann das Neugeborene. Dann plötzlich und unerwartet die Wendung. Ein Kind schenkt einen kleinen Teddybär zur Geburt, und damit steigt die Erinnerung an den strengen Vater und eine Kindheit voller Entbehrungen wieder auf.
Es ist so leise im Klassenzimmer, dass mir eine Gänsehaut über den Rücken läuft. Die ganze Fülle eines Schreibworkshops zeigt sich oft in dem Moment, in dem wir die Geschichten für andere lesen.



Der Schreibworkshop am Kranichgymnasium in Salzgitter war von Anfang an richtig schön. Eine kleine, aufmerksame Gruppe an Schülern erwartete mich mit Spannung. Ich hatte nicht viel zu tun – ein paar Impulse, ein paar Schreibregeln, ein bisschen Ideenbrainstorming, dann entwickelten sich die unterschiedlichsten Geschichten. Alle Geschichten zeigten eine große Ausdruckskraft. Einige Kurzgeschichten hatten schon durch ihre reiche Thematik das Zeug für einen langen Roman. 



Am Ende drückte die Zeit, einen weiteren Tag hätten wir noch gut gebrauchen können. Aber alles wird kostbar durch seine Begrenzung, und so präsentierten die Schüler ihren Klassenkameraden eine Fülle und Dichte an unterschiedlichen Geschichten, wie man sie selten auf Lesungen erlebt.
Ich war danach einfach nur auf Wolke 7 und bin froh, dass ich den Stein dazu ins Rollen bringen durfte.


Samstag, 26. September 2015

Lang, lang…


Diese alten Fotos und Karten sind doch wahre Schätze. Auf dem Foto rechts seht ihr zum Beispiel meinen Großvater. Er war zu der Zeit 19 Jahre alt. Meine Großmutter fand ihn zunächst einen totalen Angeber, weil sie glaubte, er habe sich die Locken mit der Brennschere gelegt. Als sie dann aber erfuhr, dass es Naturkrause war, war sie doch hin und weg.
Auf der Karte darunter verkündet mein Großvater in schönstem Sütterlin die Geburt meiner Mutter. „… möchten wir euch wissen lassen, daß uns am Vormittag gegen 12 Uhr ein kräftiges und gesundes Mädchen geschenkt ist“, schreibt er so süß an seine Eltern. Dabei war meine Mutter nicht besonders kräftig, und ihre Geburt war verdammt kritisch. Aber das wusste mein Großvater nicht so genau. Er war schließlich nicht dabei. Da er Beamter durch und durch war, war er selbstverständlich an dem Tag zum Dienst gegangen. By the way, wenn er dabei gewesen wäre, wüssten wir sicherlich die Uhrzeit sekundengenau. 

Freitag, 25. September 2015

Lesung in Bargteheide


Panik war angesagt, als ich am Morgen vor der Lesung in meinem Hotelzimmer noch einmal meine Vorbereitung durchging. Ich hatte nämlich ausgerechnet das Buch „Im Chat war er noch so süß“ nicht dabei. Dabei packe ich meinen Rucksack immer mit großer Aufmerksamkeit. Aber wie immer das Leben so spielt … es war nicht drin. Ich ging alle Alternativen durch, die mir einfielen: Schnell noch auf dem E-Book-Reader runterladen. Aber gibt es das Buch eigentlich als E-Book? Schnell noch in die Stadtbücherei? Aber haben sie schon auf? Und haben sie überhaupt das Buch?
Die einzige Chance, die sich mir bot, war die Schulbücherei der Dietrich-Bonhoefer-Schule. Sie lag neben der Stadthalle, in der ich die Lesung hatte – und sie hatte geöffnet. Aber was noch genialer war: Das Buch war vorhanden und dazu nicht ausgeliehen. Was für ein Riesenglück!
Heute geht ein kleines Dankeschön an die Bücherei – ich habe nämlich in aller Hektik mein Versprechen nicht eingelöst und das Buch anschließend nicht signiert. Aber da sie sowieso eine alte und ziemlich abgenutzte Ausgabe hatten, ist es Zeit für ein neues Buch.
Die Lesung verlief dann sehr aufmerksam, und die Betreuung durch die Referendarin Frau Abel sehr freundlich. Viele Grüße und danke an alle!


Donnerstag, 24. September 2015

Fahrt nach Bargteheide


Ich bin zu einer Lesung an die Dietrich-Bonhoeffer-Schule nach Bargteheide eingeladen. Bei strömendem Regen machte ich mich auf die weite Fahrt. „Sonnige Abschnitte im Norden und Osten“, versichern die Wetternachrichten immer wieder, während meine Wischblätter im Sekundentakt über die Frontscheibe kratzen. Ich kann es mir nicht vorstellen. Plötzlich hinter dem Autobahnkreuz Hannover Richtung Hamburg ist es, als wenn ein Schalter umgelegt wurde. Die Straßen sind trocken, der Himmel zeigt blaue Stellen. Und dann – wie ein Wunder – kommt die Sonne zum Vorschein.Bargteheide zeigt sich mir in warmen, spätsommerlichen Farben. Ich freue mich auf die Lesung.



Montag, 21. September 2015

Manuelles Schreiben


Am Wochenende in einem Niederländischkurs der VHS mache ich eine unheimliche Entdeckung. Ich kann nicht mehr schreiben. Zäh und mühsam fügen sich die Buchstaben aneinander, meine Schrift wirkt zittrig und ungelenk. Ich will ein j schreiben und schreibe ein g, ich will "vrouw" schreiben und lasse das u weg. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie man das I schreibt, wähle schließlich den Druckbuchstaben. 
Irgendwie ist mir das unheimlich. Krankheiten fallen mir ein, bei denen man als erstes das Schreiben verlernt. Ist es jetzt soweit? Habe ich Alzheimer? Eine beginnende Form von Parkinson?
„Ich kann gar nicht mehr mit der Hand schreiben“, flüstert mir meine Nachbarin zu. „Ich schreibe immer so viel am Computer.“
„Geht mir genauso“, murmele ich, und es fällt mir ein Stein vom Herzen.
Ich überlege, wann ich zum letzten Mal etwas Längeres mit der Hand geschrieben habe. Ein Brief an meine Tante fällt mir ein, und auch dabei war mir das Schreiben  schwer gefallen. Im Gegensatz dazu hat sich die Geschwindigkeit, mit der ich in die Tastatur haue, sicherlich verdoppelt. Aber dieses Schreiben scheint irgendwelche völlig anderen Gehirnsynapsen zu beanspruchen.

Das will und muss ich unbedingt wieder ändern. Ich werde mir endlich wieder neue Patronen für meinen Füller kaufen, und dann schreibe ich jeden Tag ein Gedicht … so mein guter neuer Vorsatz für die nächsten Wochen. Und bitte erinnert mich von Zeit zu Zeit daran. 

Donnerstag, 17. September 2015

Der Tod einer Lieblingsjeans


Wisst ihr noch, damals in den 70gern? Diese Frage ist natürlich nur an die Älteren unter euch gerichtet. Damals trug man Jeans, wie heute – wie immer. Sie mussten hell und abgewetzt sein, sonst galt man unter seinen Freunden als spießig und kapitalistisch. Das Problem war nur, dass man nicht, wie heutzutage eine abgewetzte und durchlöcherte Jeans kaufen konnte. Diesen Zustand musste man sich erst mühsam erarbeiten.
Wenn es also irgendwann mal wieder dran war, dass die absolute Lieblingsjeans auseinanderfiel (das kam alle 5 Jahre vor), musste man sie erst mühsam mit Scheuerpulver bearbeiten, bevor man sich mit diesem noch ziemlich dunkelblauen Ding zur Schule traute. Und dann zog man diese Jeans erst wieder aus, wenn sie auseinander fiel. Okay, es gab noch das Problem, dass man sie hin und wieder waschen musste, aber dann hockte man ziemlich nackig vor der Waschmaschine und wartete ungeduldig. Da sie nie so wirklich trocken war, wurde sie geföhnt und zuletzt etwas feucht übergestreift, damit man nicht mit der Ersatzhose los musste.
Meine Jeans hatten meistens Namen. Besonders gut erinnere ich mich an Billy. Das Modell klebte mir so eng an den Beinen, dass ich nur mit ausgestreckten Beinen am Schreibtisch sitzen konnte.
Was habe ich gelitten, als Billy so langsam das Zeitliche segnete. Erst kriegte sie einen Flicken auf dem Knie, dann einen auf dem Hinterteil … und als sie schließlich quer über dem Hintern einriss, wurde mir schmerzhaft bewusst, dass ich den Kampf gegen den Zerfall verlieren würde.
Das fiel mir heute ein, als meine absolute Lieblingsjeans das zweite Loch vorwies. Meine Jeans haben zwar keine Namen mehr, und ich habe auch mehr als eine, aber eine Lieblingsjeans habe ich immer noch. Wenn die endgültig ihren Geist aufgibt, ist mir schon etwas schwer ums Herz. Meist ist bei ihr dann auch so ein Zustand erreicht, dass ich sie noch nicht mal mehr in den Altkleidercontainer werfen mag. Aber sie in den Müll zu schmeißen, bringe ich erst recht nicht übers Herz. Vielleicht kriegt sie eine Zeitlang einen Ehrenplatz in meinem Kleiderschrank – für schlechte Zeiten… 

Dienstag, 8. September 2015

Elf Jahre KLAR



Vor elf Jahren ist die Reihe KLAR beim Verlag an der Ruhr entstanden, zu der ich mit meiner Idee, Bücher für schlecht lesende Jugendliche zu schreiben, den Anstoß gab. Viele Jahre sind seitdem ins Land gegangen, und aus den ersten vorsichtigen Ideen ist eine tolle Reihe geworden.
Im Gegensatz zu dem Kinderbuchmarkt, der seine Bücher immer schneller verramscht, haben sich viele Bücher auch nach dieser langen Zeit immer noch auf dem Lektürenmarkt gehalten. Einige haben sich sogar zu richtigen Klassikern entwickelt. Dazu gehört vor allem mein Buch „Im Chat war er noch so süß“. Auch wenn sich die Art und Weise, in der Kontakte im Netzt geknüpft werden, längst verändert hat, hat das Buch in der eigentlichen Thematik nicht an Aktualität verloren. 





Donnerstag, 3. September 2015

Schreibwerkstätten des Friedrich-Bödecker-Kreises


In dieser Woche erreichte mich eine Mail des Friedrich-Bödecker-Kreises, die ich gerne für interessierte Schulen weiterleiten möchte:
2015 bezuschusst der Friedrich-Bödecker-Kreis NRW in besonderem Maße Schreibwerkstätten an Schulen und in anderen Institutionen. Die Schreibwerkstatttage werden in diesem Falle stärker als für gewöhnlich bezuschusst und sollen insbesondere dort durchgeführt werden, wo Jugendliche mit Bildungsbenachteiligungen verstärkt erreicht werden.
Beantragt werden kann die Bezuschussung eines einzigen oder auch mehrerer Schreibwerkstatttage. Dabei werden zwei Werkstatttage empfohlen, aber auch einzelne Tage ins möglich.
Die Schule führt dabei 200,- € an den Friedrich-Bödecker-Kreis ab, der FBK übernimmt dann die weitere Honorierung des Autors.
Wer an einem Schreibworkshop interessiert ist, sende bitte eine Mail an den Friedrich-Bödecker-Kreis. Eine Auswahl an Texten soll für einen Schülerblog zur Verfügung stehen.

Dienstag, 1. September 2015

Willkommen kleiner Jonte


Nun habe ich ihn also kennen gelernt, den kleinen neuen Erdenbürger Jonte Wilhelm. Total süß sah er aus. Ich habe ihn vorsichtig gestreichelt, dieses kleine Gesicht und diese grumpeligen Finger mit schon recht langen Fingernägeln. Jonte schlief den Schlaf der Seligen, mit übereinander gefalteten Ärmchen, das Gesicht noch ein wenig kummervoll zusammen gezogen. Hin und wieder ein tiefer Seufzer. Er hatte ein paar schwere Stunden hinter sich. Auch seinen Eltern sah man die anstrengende Geburt noch an, und doch lag über ihren blassen Gesichtern ein Leuchten.  
Wie schön sich die Krankenhäuser verändert haben. Die Eltern durften gemeinsam im Elternzimmer schlafen, das Kind in ihrer Mitte. Das Zimmer war groß, mit geräumigem Wickeltisch und einem ungewöhnlichen schönen Stubenwagen. Wie gut, dass sich die Zeiten ändern.
Nun bin ich dreifache Omi!