Mittwoch, 28. Oktober 2015

Unterwegs durch die Nacht


Diese Nacht bin ich mit dem Wohnmobil unterwegs. Stockdunkel ist es. Nur mit Mühe kann ich den Verlauf der Straße erkennen. Die Straße ist schmal und kurvenreich. Endlich weitet sie sich und führt ein Stück geradeaus. Plötzlich, wie von Geisterhand, taucht ein Straßenschild direkt vor mir auf. Ich trete in die Bremsen. Zu spät. Voller Wucht donnere ich mit dem Auto gegen das Schild. Es stürzt mir entgegen. Geistesgegenwärtig lege ich den Rückwärtsgang ein. Ich bin schnell genug. Das Straßenschild fällt direkt vor das Wohnmobil, ohne es noch einmal zu berühren.
Zitternd steige ich aus, um den Schaden zu begutachten. Der Alkoven hat in der Mitte einen gewaltigen Knick, das Fenster im Alkoven ein großes Loch. Schrecklich sieht das aus.
„Aber wir haben doch gar keinen Alkoven“, denke ich.
Und dann wache ich schweißgebadet auf.
Puh – das war knapp! 

Montag, 26. Oktober 2015

Tandemmärchen


Damit ihr nicht denkt, dass ich in meinem Arbeitszimmer sitze und aus dem Fenster starre, hier mal wieder ein schriftstellerisches Lebenszeichen von mir: Acht Tandemmärchen für das gemeinsame Lesen. Das Konzept des Buches ist natürlich meine Erfindung. Als langjähriger Pädagoge weiß man ja, was in Schulen gebraucht wird.
In diesem Buch gibt es acht Märchen, die von guten und schwächeren Lesern gemeinsam gelesen werden können. Dabei übernimmt der schwächere Leser den kürzeren und einfacheren Lesepart, der stärkere Leser den längeren Teil, der mehr Text, schwierigere Wörter und längere Sätze enthält. Gemeinsam müssen die Schüler aber jeweils den Text des anderen passiv mitlesen, damit sie wissen, wann sie wieder an der Reihe sind.
Später lassen sich die Rollen natürlich auch tauschen. Gerade wenn der Inhalt bekannt ist, wird es auch für den schwächeren Leser nicht schwer sein, beide Teile zu lesen.
Natürlich lässt sich die Geschichte auch im Klassenverband lesen oder in der Einzelförderung zwischen einem Schüler und einem Lesehelfer einsetzen.
Zu jeder Geschichte gibt es drei Arbeitsblätter, eins für den gemeinsamen Unterricht, zwei für die innere Differenzierung. So kommt auch in der Erarbeitungsphase niemand zu kurz…

Viel Spaß bei Bruno dem Gartenzwerg, der so gerne tanzen würde, oder Elisa, der verzauberten Riesenspinne, die von einem Prinzen erlöst werden muss…


Donnerstag, 22. Oktober 2015

Zu fällen einen schönen Baum...


Bad Lippspringe, der Ort, in dem ich seit 27 Jahren lebe, rüstet sich für die Landesgartenschau 2017. Es wird einige größere Veränderungen geben, und darum werden wir Bewohner gebeten, einige Umstände in Kauf zu nehmen. Kein Ding, denke ich, als ich eine große Umleitung fahren muss, weil die Hauptdurchfahrtstraße  gesperrt ist. Man muss eben auch Opfer bringen, und für so einen guten Zweck sollte einem nichts zu schade sein. 
Als ich dann auf der Rückfahrt die Straße einspurig befahren darf, traue ich meinen Augen nicht. Alle, aber auch wirklich alle Bäume links und rechts der Straße sind spurlos verschwunden.  Gefällt, abtransportiert, vielleicht auch schon weggehäckselt.
Um es klar zu stellen, ich gehöre nicht zu den Menschen, die bei jedem gefällten Baum gleich zum Taschentuch greifen. Auch Bäume können manchmal erdrückend sein und alles um sie herum verdunkeln. Aber bei diesem Anblick stellen sich mir doch die Nackenhaare auf. Die Stadt, die sowieso nicht zu den schönsten Orten NRWs zählt, präsentiert sich in ihrer Nacktheit, als wäre eine Bombe eingeschlagen.
Wie sie das jetzt bis 2017 wieder schön kriegen wollen, ist mir ein echtes Rätsel. 

Montag, 19. Oktober 2015

Von guten und bösen Meinungen


Seit Wochen nun verfolge ich die Flüchtlingsdebatte mit großen Augen und noch größeren Ohren, mit ungutem Gefühl im Bauch und Trauer im Herzen, unfähig, eine Position einzunehmen.
Besonders unwohl war mir bei der Rolle der Medien. Immer wieder richtete sich die Kamera auf Kinder, kleine Mädchen mit schwarzen Augen, die sich unglücklich an die Mutter klammerten zum Beispiel. Dieses furchtbare Bild des kleinen toten Jungen am Strand. Bilder, die niemanden kalt ließen.
Und auch die Gegenseite wurde gezeigt: Diese Hakenkreuztypen mit den Glatzen und Springerstiefeln. Eine sächsische Schräbbelstimme, die ins Mikrophon plärrte, dass die Flüchtlinge gewalttätig sind und die Kinder vergewaltigen.
So teilte sich die Flüchtlingsdebatte in Gut und Böse – auf der einen Seite die Menschen mit den Teddybären am Bahnhof, die Guten, die Willkommenskultur, auf der anderen Seite die Gegenstimmen – dumm, ungebildet und böse.
Was aber passiert, wenn man die Zwischentöne weglässt? Wenn die Medien vorgeben, was richtig und falsch ist? Wenn kritische Stimmen und Ängste unterdrückt werden? Wenn man einfach nicht aufmerksam hinschaut?
Geschichtslehrer können ein Lied davon singen. Wenn sie im Geschichtsunterricht angewidert von den Gräueltaten der Nazis erzählen, dann sind alle Schüler erschüttert und einer Meinung. Nur auf den Schultoiletten häufen sich ganz plötzlich die Hakenkreuze. Und niemand ist es gewesen. Nur die Geschichtslehrer sind verbittert und enttäuscht.

Was wurde übersehen- hier und da?
Wann immer eine Meinung als die einzig richtige präsentiert und die andere unterdrückt wird, kommt die Gegenseite in radikalerer Form zum Vorschein.
Und da sind wir nun. 

Samstag, 17. Oktober 2015

Männerduft



Was riecht der Typ so gut, denke ich, und trete ein bisschen näher an den Mann heran, der neben mir an der Kasse steht. Ich schnuppere – hoffentlich unbemerkt - an ihm. Der Geruch erinnert mich irgendwie an… hmmm…
Da sehe ich, dass er ein Basilikumsträußchen in seiner Hand hält. 

Donnerstag, 15. Oktober 2015

Ode an einen Regentag



Als ich aus der Mukkibude komme, schlägt mir der Regen entgegen. Schon auf dem kurzen Weg zum Auto werde ich ganz nass. Ich bin froh, wieder zu Hause zu sein. Heute -  und überhaupt.
Dass ich heute keine Termine und kein Pflichtprogramm habe, begeistert mich geradezu. Heute gehöre ich nur mir und meiner Tastatur.
Einen kurzen Moment denke ich überglücklich daran, jetzt nicht am Bahnhof stehen zu müssen, um den Zug zur Buchmesse zu nehmen. Es war eine wundervolle Entscheidung, auch in diesem Jahr nicht dorthin zu fahren. Und doch schwingt bei dem Gedanken an die Buchmesse auch eine Traurigkeit mit. Ich hatte immer das Gefühl, dass sich mir diese Messe nicht erschlossen hat. Für mich war sie immer nur das langsame Schleichen durch lange Messehallen, mal hier und mal da schauend, von allem zu viel und letztendlich zu wenig.
Die Buchmesse zeigte sich mir immer erst hinterher, in Zeitungs-, Fernseh- und Blogberichten.  Dann hatte ich umso mehr das Gefühl, nicht dazu gehört zu haben. So liegt in meiner Entscheidung gegen die Buchmesse einfach auch ein großes Stück Resignation.
Aber immerhin stehe ich nun nicht auf dem zugigen Bahnhof in Kassel-Wilhelmshöhe herum und warte auf den Anschlusszug, ich lasse mich nicht diese langen Rolltreppen hinauffahren, ich hetze nicht über die Rollbänder, die Träger meines immer schwerer werdenden Rucksacks drücken mich nicht, ich spüre nicht die immer heißer werdenden Füße. Resignation hat auch seine Vorteile. Und die genieße ich jetzt an meinem Schreibtisch mit dem Blick in den regnerischen Himmel, allein mit mir und meiner Tastatur. 

Montag, 12. Oktober 2015

Vergessene Erinnerungen


Sein Blick ist unsicher. „Ich will mal meinen Lebenslauf aufschreiben“, sagt er zu mir. „Oder findest du das Quatsch?“
„Das ist sogar eine richtig gute Idee“, erwidere ich.
„Ich habe nämlich in meinem Schreibtisch einen alten Lebenslauf gefunden“, vertraut er mir an. „Aber er ist nicht vollständig.“
Er zieht einen Lebenslauf hervor. 1972, mit Schreibmaschine geschrieben.
„Da habe ich erst mal erfahren, ich bin ja in Minden gewesen“, sagt er.
Mir kriecht ein Schauer über den Rücken.
Eigentlich sagt man immer, dass man sich an das, was lange zurück liegt, noch erinnert, aber wenn die Dinge erst gerade geschehen sind, weiß man sie nicht mehr. Ich kann das nicht bestätigen. Was vergessen oder behalten wird, erscheint mir so zufällig. Zunächst glaubte ich noch Regeln zu erkennen, dachte, dass er das in Erinnerung behält, zu dem er eine emotionale Beziehung hat. Aber nun bin ich mir noch nicht mal dabei sicher. Die Erinnerung erlischt zufällig, unweigerlich, unkontrollierbar.
Er beobachtet mich genau. Unsicher, ob seine Fragen an mich komisch sind.
„Wir haben doch früher in Minden gewohnt“, erinnere ich ihn. „Weißt du das nicht mehr.“
„Doch, doch“, sagt er. „Aber wie bin ich denn dahin gekommen?“
„Du hattest dich dort beworben. Deine erste Lehrerstelle, weißt du noch? Wir sind dann alle dahin gezogen.“
Ich nenne Kollegen, beschreibe unser Familienhaus, die Straße, in der wir gewohnt haben, die Schulen, die Stadt. Die Erinnerungen scheinen wieder zu kommen. Er fügt Kollegen hinzu, erinnert sich an Besuche, Begegnungen.
Jetzt ist der Blick lebendig. Erleichtert sieht er aus. Vergnügt.
„Dann bin ich also in Minden gewesen“, sagt er. „Ich frage mich nur: Wie bin ich da eigentlich hingekommen?“

Dienstag, 6. Oktober 2015

Herbstferien


Meine Herbstferien verbringe ich nun wieder auf dem schönsten Campingplatz Deutschlands zwischen Kinderspielplatz, Rezeption und Wohnwagen, genieße die Enkel, checke ein und aus und verkaufe Brötchen. Es ist ein bisschen als wenn ich nie weg gewesen wäre. Nebenbei darf natürlich auch das Schreiben nicht zu kurz kommen, allerdings in einem völlig anderen Rhythmus, nämlich morgens um 6. So richtig schlimm finde ich es als Gerne-Frühaufsteher nicht, allerdings wünsche ich mir hin und wieder, jemand hätte schon mal den Ofen angemacht und mir einen Kaffee gekocht. Und natürlich vermisse ich meine drei riesigen Monitore, aber ich habe ja im Leben gelernt zu verzichten.
Das Wetter ist tagsüber noch wunderschön sommerlich in der Lausitz. Mit den Enkeln macht es wieder Sinn, Kastanien und Eicheln zu sammeln und Kürbislaternen zu schnitzen.
 Toll irgendwie.