Freitag, 30. November 2012

Die Kirchenblättchen und ich





Seit einigen Jahren trage ich in unserer Straße die Kirchenblättchen aus. Ja, ihr habt richtig gelesen. ICH! Die Kirchenblättchen!!! Das mache ich nicht, weil ich so christlich bin. Auch nicht, weil ich mich so sehr mit unserer Kirche verbunden fühle. Ich mache es vor allem, weil in unserer Straße so viele ältere Menschen leben, die dieses Heft gerne lesen, es aber niemanden gibt, der es verteilt. Für die Menschen aber, die nicht zur Kirche gehen, ist das Kirchenblatt oft der einzige Kontakt zu ihrer Kirche.
Unsere Kirchenblättchen sind kleine schön gestaltete Hefte mit Geschichten rund um die Kirche, mit einer lustigen Kinderseite und natürlich den wichtigen Informationen, wer wann getauft, konfirmiert, getraut oder beerdigt wurde, und wer wieder mal ein Jahr älter geworden ist.
Das Austeilen ist schnell gemacht. Ich düse mit dem Rad die Straße entlang und werfe es in die Briefkästen. Nur an einem schönen Sommertag kann es schon mal länger dauern, denn dann sind viele ältere Menschen im Garten und freuen sich über eine Unterhaltung.
Für mein letztes Kirchenblättchen muss ich immer noch ein ganzes Stück die Straße entlang fahren, bis ich zu einem großen Gut komme. Hier lebte lange Zeit eine alte Frau ganz allein. Sie hatte das Schild: „Achtung, frei laufender Hund“ vor ihrem Eingangstor, aber ich wusste, dass ihr Hund schon viele Jahre tot ist.
Dieses Gut ist immer ein bisschen unheimlich, weil es so abseits liegt. Kein Wunder, dass mir eines Tages genau vor dieser Pforte eine Geschichte zuflog. Ein Kurzkrimi, der in dem Buch „Kriminell gut lesen“ veröffentlicht wurde. So hat auch das Austeilen der Kirchenblättchen etwas Inspirierendes.  

(Foto: St. Rome du Tarn, Frankreich)

Donnerstag, 29. November 2012

Lesung in Lippstadt




Ich war ehrlich gesagt ein bisschen unsicher, als mich die Thomas-Valentin-Bücherei Lippstadt zu einer öffentlichen Lesung um 19.00 Uhr in ihren Vortragsraum einlud. In der Stadt fanden die Aktionstage „Sucht hat immer eine Geschichte“ statt, und in dem Rahmen sollte aus dem Buch „Sauf ruhig weiter, wenn du meinst“, gelesen werden.
Öffentliche Lesungen für Kinder- und Jugendliche sind – so meine Erfahrung – schlecht besucht, erst recht an einem Abend im Winter.
Darum hatte ich ein bisschen Angst, die einzige Besucherin meiner Lesung zu sein und war dann unglaublich erfreut und erleichtert, als sich tatsächlich 20 Zuhörer einfanden. Die Lese-AG einer Schule und eine Stadtteil-Mädchengruppe, außerdem noch einige Privatpersonen hatten sich auf den guten Stühlen in dem ganz besonderen Vortragssaal – der ehemaligen Kapelle einer früheren Mädchenschule – niedergelassen. Sie beteiligten sich, anfangs vorsichtig, dann immer mutiger am Gespräch.
Es war ein schöner Abend.

Mittwoch, 28. November 2012

Recherche leicht gemacht




Martha, Matze und Jakob sitzen in der Aula. Grinsend verfolgen sie den Auftritt der Schulband. Die haben wieder diese Kinderlieder drauf.  „Summer of 69“. Und während Lennart auf seiner Gitarre in die Saiten haut, schiebt sich Jakob seinen Kopfhörer in die Ohren.
Ich sitze irgendwie auch da in der Aula, und darum klicke ich jetzt Bryan Adams Summer of 69 auf Youtube an und schiebe den Film auf meinen 2. Monitor. Ich switche kurz rüber, suche die Lyrics an, wähle eine Zeile, die den Refrain einleitet. Ich suche weiter nach den Gitarrengriffen. D – D7 – D, A – A7 – A. Das ist machbar für einen 8. Klässler. Einen Gitarristen wie Lennert.
Manchmal frage ich mich, wie ich das früher gemacht habe. So ganz ohne Internet. Wie oft musste ich in die Bücherei latschen und so richtig analoge Bücher aus den Regalen ziehen. Wie mühsam das Leben war. Das Schreiben war voller Unterbrechungen.
Und jetzt mit diesen beiden Monitoren kann ich sogar zeitgleich schreiben und recherchieren. Ich schreibe an dem rechten Monitor, links entwickele ich die Parallelwelt der Informationen, die ich für den Roman brauche. Dass das jetzt alles so leicht geht. Eigentlich darf das nicht sein. Schreiben ist doch schließlich Arbeit.
Aber so ist alles im Fluss. Irgendwie genial, oder? 

(Foto: An der Tarn, Frankreich)

Dienstag, 27. November 2012

Schon okay




Ich oute mich mal an dieser Stelle als Jeansträgerin. Die Jeans ist mir seit meinem 12. Lebensjahr das liebste Kleidungsstück. Im Sommer kombiniere ich sie mit einem T-Shirt, im Frühling und Herbst mit einem Sweatshirt und im Winter mit einem Pullover.  
Natürlich trage ich auch mal eine schwarze Hose, einen Rock oder sogar wenn es sein muss ein Kleid, aber eben nur, wenn es sein muss. So wirklich wohl fühlte ich mich nur in Jeans.
So hat jeder feierliche Anlass jenseits der Jeans immer auch einen Stressfaktor für mich. Wie zum Beispiel diese Feier am Samstag. Dann krame ich hektisch in meinem Kleiderschrank.
„Wie findest du das?“, fragte ich Nils und demonstriere mein grünes Kleid. Er ist auch in Hektik. Er kann keine Krawatte binden.
„Ganz okay“, sagt er und verzieht das Gesicht.
„Aber so ganz okay offenbar doch nicht“, forsche ich weiter.
„Frag mal jemand anderes, ich hab grad keine Zeit.“
Und weg ist er wieder. So ist sie, die Jugend heutzutage. Nicht bereit, mal zwei Minuten für das arme alte Mütterchen in Sachen Farb- und Stilberatung zu opfern.
Frag mal jemand anderes? Als wenn ich in diesem Haus die große Auswahl hätte.
Ich ziehe mein Strickkleid an.
„Wie findest du das?“, frage ich meinen Mann.
Er guckt flüchtig vom Computer hoch. „Ganz okay“, brummt er.
Die Antwort ist mir vertraut. Sie hört sich nicht besonders begeistert an, und sie ist meilenweit von „Schatz, du siehst umwerfend aus“ entfernt. Also wechsele ich in schwarze Hose und rote Leinenbluse.
„Und das hier?“
„Auch ganz okay.“
„Und was findest du okayer?“
„Eigentlich beides ganz okay.“
Versteht ihr jetzt, warum ich nicht über meine Jeans hinauswachse?