Freitag, 28. Oktober 2016

Verzagtheit



Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich vor irgendetwas drücken, sei es Verantwortung, Auseinandersetzung oder schwierige Terminen. „Je eher daran, desto eher davon“, lautet das Motto, das mir von meinem Vater ins Leben gegeben wurde.
Doch bei dieser neuen Mammografieuntersuchung zur Kontrolle meiner Brust überkommt mich plötzlich eine große Verzagtheit. Allein die Tatsache, dass meine Brust wieder auf Briefmarkenformat geplättet wird, macht mir Panik – ganz zu schweigen von der Angst, wieder einen blöden Befund zu haben.
„Tut mir leid, ich kann am Dienstag den Termin nicht wahrnehmen“, teile ich der Sprechstundenhilfe mit. „Es ist mir was dazwischengekommen.“
Und ich schiele schon in meinem Outlook-Kalender auf den Monat November.
„Kein Problem. Dann kommen Sie doch am Donnerstag“, sagt die Sprechstundenhilfe freundlich.
Ja, haben die denn gar nichts zu tun in der Radiologie?
Aber es wäre jetzt blöd, noch eine Ausrede für Donnerstag zu finden.
Ich gehe also hin – und es ist alles okay *schweißvonderstirnwisch.

Dienstag, 25. Oktober 2016

Ich werde Stadtschreiberin in Gotha


Die Würfel sind gefallen. Ich (!!!!)  habe das Kurd-Laßwitz-Stipendium erhalten und werde 2017 Stadtschreiberin der Stadt Gotha. Schon vor drei Wochen habe ich von dieser Entscheidung erfahren und einen wilden Seitgalopp durchs Wohnzimmer getanzt. Allerdings musste ich noch Stillschweigen bewahren, Verträge unterschreiben und genauere Bedingungen erfahren. Aber heute um 15.00 Uhr geht die Pressemitteilung raus, und damit darf auch ich meine riesige Freude in die Welt hinausposaunen.
In Thüringen war ich schon häufiger zu Lesungen eingeladen. Jedes Mal habe ich auch in Gotha Station gemacht und die schöne Stadt genossen. Dort nun ein Jahr lang wohnen und schreiben zu dürfen, wird sicherlich total spannend, zumal ich auch noch mitten in der Stadt wohnen werde. Ich freue mich auf interessante Begegnungen (siehe Foto) und neue Projekte.
Das Stipendium wird seit 2008 ausgeschrieben. Ich bin nun die 10. Autorin, die die Stadtschreiberstelle besetzen wird.
2017 könnt ihr euch also auf einen regelmäßigen Blogpost aus Gotha gefasst machen!!!


Montag, 24. Oktober 2016

Schwesterntreffen


Es ist ein bisschen wie früher, als wir noch um den großen Esszimmertisch saßen und die Hausaufgaben machten. Dabei ist weder das Haus, noch der Esszimmertisch ein Teil aus der Kindheit. Aber es ist diese Art, wie meine Schwester leise in Selbstgesprächen versunken ist, die andere Schwester schwungvoll ihre Zeilen schreibt, und ich, wie ich Mühe habe, mich zwischen den beiden zu konzentrieren.
Zusammen beantworten wir die Trauerpost. Viele Briefe sind gekommen. Dann stehen noch so viele Formalitäten an.
Immer wieder schauen Besucher vorbei, haben unsere Autos vor dem Haus gesehen. Wir begrüßen sie freundlich, aber kurz. Heute haben wir geschlossene Gesellschaft. Die Zeit ist kostbar. So oft können wir nicht zusammenkommen.
Jeder hat etwas Leckeres zu essen mitgebracht. Wir trinken Kaffee, erzählen, zögern den Moment hinaus, der heute ansteht. Irgendwann müssen wir eine Bestandsaufnahme machen, müssen Schränke öffnen, Dinge anschauen, beraten und verteilen. Vor diesem Augenblick fürchten wir uns ein wenig. Die Ganzheit wird plötzlich aufgebrochen. Der Moment geht verloren, an dem dieses Haus das Haus unseres Vaters war. Das tut weh.
Wir gehen gemeinsam durchs Haus, betrachten die Möbel, die vielen Bilder, das Geschirr, die Bücher, die zahlreichen kleinen Erinnerungen.
Und dann beginnt jemand: „Sagt mal, könnte ich vielleicht diesen Wohnzimmerschrank bekommen? Er erinnert mich an Minden.“ „Ich würde gerne das Klavier haben.“ „Hat jemand an der Truhe auf dem Flur Interesse? Sonst würde ich sie gerne nehmen.“
Es ist so schön, dass alles so einfach geht.  Jeder hat eine andere Erinnerung, jeder einen anderen Geschmack. Gleichzeitig hat niemand sein Herz an ein ganz besonders Möbelstück gehängt. Und jeder freut sich für den anderen.
Wir gehen, reden, lassen alles unberührt. Und doch können wir uns plötzlich vorstellen, dass es anders werden kann. Besonders dann, wenn die Dinge in gute Hände kommen.

Samstag, 22. Oktober 2016

Traurige Momente



Trauer kommt in Wellen. Sie erwischt einen ganz plötzlich eiskalt und unvorbereitet. Zum Beispiel heute Morgen beim Frühstück. Als ich die Marmelade esse und denke: Himbeermarmelade, selbstgemacht? Von wem denn? Und dann lese ich die Handschrift seiner Haushaltshilfe: „Himbeeren 2014“. Er hat die Marmelade sicherlich nicht mehr gemacht, aber daneben gestanden und sich gefreut, dass seine leckeren Himbeeren aus dem Garten eine gute Verwendung fanden. Der Gedanke macht mich traurig und rührt mich zugleich. Wie lieb, dass er nun noch für mein Frühstück sorgt.
Abends sehe ich einen Film im Fernsehen. Jemand liegt im Koma. Das geht unter die Haut. 

Freitag, 21. Oktober 2016

Autorenlesungen in Österreich


Die Autorenlesungen in Österreich haben mir großen Spaß gemacht, und gerne wäre ich auch weiterhin in diesem schönen Land unterwegs. Blöd ist leider nur, dass der Weg immer so weit für mich ist. So habe ich jetzt beschlossen, mich in Österreich überwiegend durch die Leseagentur Eibl & Eibl vertreten zu lassen. Herr Eibl ist spitze darin, Lesungen zu bündeln und zu organisieren, und mir tut es gut, nicht immer alles selbst zu machen.
Als ich in Grieskirchen war, haben wir uns auf einen Kaffee getroffen und die nächste Lesereise besprochen. Es ist geplant, dass ich vom 24.-28. 4. 2017 wieder in Österreich zu Gast sein. Bei Interesse können Sie sich also gerne an den Service für Jugendkultur Eibl & Eibl wenden.  


Donnerstag, 20. Oktober 2016

Lesung in Riedau


Die letzte Station meiner österreichischen Lesereise führte mich ins oberösterreichische Riedau. Hier war ich an der NMS, der Neuen Mittelschule, wie sie in Österreich neuerdings heißen, eingeladen. Obwohl eine größere Schülergruppe auf mich wartete, waren die Schüler sooooo leise und aufmerksam, dass ich es richtig genossen habe, zu Gast zu sein. Ich hoffe, dass ich auch euch Lust auf`s Lesen gemacht habe.

 

Gegen Mittag ging es dann nach Hause zurück. Die Sonne begleitete mich noch quer durch Bayern und tauchte den Bayrischen Wald, die Donau und den Inn in warmes Herbstlicht. Nur in den Kassler Bergen hatte mich dann der Regen wieder und brachte mich unbarmherzig ins kühle Westfalen zurück – seufz! 

Dienstag, 18. Oktober 2016

Lesung in Neumarkt/Kallham


Mit diesem netten Plakat wurde ich heute in der Schule in Neumarkt/Kallham in Oberösterreich begrüßt. Da geht einem doch gleich das Herz auf, wenn man noch ein bisschen orientierungslos in den Schulflur stolpert.
Viele Schüler kannten meine Bücher, dementsprechend zugewandt und aufmerksam waren sie. Es hat mir total Spaß gemacht, hier zu sein.
Für euch Blogleser gibt es jetzt natürlich ein Suchbild. Wer findet mich unter den Schülern? Naja, so schwer ist es nun nicht, aber Achterklassen sehen schon verdammt erwachsen aus.



Montag, 17. Oktober 2016

Lesungen in Wien


Der erste Lesungstag in Österreich liegt hinter mir, und er war echt klasse. Die neue Mittelschule Friesgasse in Wien hatte mich für vier Lesungen in den Jahrgangsstufen 5-8 eingeladen. Wenn man sich durch die Jahrgangsstufen liest, hat man die Möglichkeit, in jeder Gruppe ein anderes Buch vorzustellen. Das war natürlich für mich sehr abwechslungsreich. Alle Klassen waren sehr zugewandt und aufmerksam – aber bei den Achten war es ganz besonders toll.
Euch allen liebe Grüße und danke für die Einladung.  




Sonntag, 16. Oktober 2016

Annette in Wien

 
Nun bin ich in Wien. Die geschichtsträchtigen Gebäude lächeln mich links und rechts der breiten Straße an, und ich habe Mühe, mich auf den Verkehr zu konzentrieren.
Wieder schicke ich dem Erfinder des Navis einen innigsten Dank. Mit seiner Hilfe komme ich genau dort an, wo ich hin muss.
Zuerst erledige ich alles, was für die Lesung morgen wichtig ist. Ich checke im Hotel ein und suche die Schule, in der ich zu Gast sein werde. Aber dann ist noch Zeit für einen schönen Bummel.
Da ich einfach nicht zu den Jetsettern dieser Welt gehöre, sondern in Großstädten schnell Angst habe, im Gewirr der U-Bahn-Netze verloren zu gehen, mache ich mich zu Fuß auf den Weg. Das Schloss Schönbrunn ist fußläufig zu erreichen. Ich gehe durch den warmen Herbsttag und genieße dieses internationale Event von aufgeregten Menschen mit Handys und Selfiesticks. Wer war denn eigentlich Maria-Theresia? Der Star bin ich!


Samstag, 15. Oktober 2016

Grüße aus Österreich


Endlich grüße ich euch aus dem Land der Dirndl, der Geranien und der Zwiebelturmkirchen. Ehrlich, so ein ganz ganz bisschen finde ich immer, dass Österreich wie eine Fototapete aussieht, aber ich weiß natürlich, dass das nicht an Österreich liegt, sondern an der Fototapete…
Ich bin unheimlich erleichtert, dass ich diese Lesereise diesmal antreten kann. Im Frühjahr hatte mir eine Agentur schon mal eine perfekte 10-tägige Lesereise durch Österreich organisiert, und dann musste ich schweren Herzens absagen, weil sie in die Bestrahlungszeit meiner Krebserkrankung fiel. Jetzt war die Agentur vorsichtiger, hatte nur drei Tage geplant, und schon sah es wieder so aus, als wenn ich absagen müsste. Aber nun ist es mir doch möglich, mich nun auf die weite Reise zu machen.
Es tut mir gut, rauszukommen. Das Wetter ist toll, und wenn ich erst mal die nervigen Radiosender von NRW hinter mir gelassen habe, kommt auch das Autofahren gut in Schwung.
Montag beginnt meine Lesung in Wien. Zwei Tage habe ich mir für die Fahrt gegeben. Erste Station heute ist Grieskirchen, ziemlich dicht hinter der deutschen Grenze. Ich genieße den Bummel durch die kleine hübsche Stadt. 

Dienstag, 11. Oktober 2016

Ein Nachruf


Das letzte schöne Geschenk, was ich ihm noch machen kann, ist, ihm einen Nachruf zu schreiben. Ich frage bei der Zeitung nach. Die Antwort ist eher reserviert. Man spricht mir herzliches Beileid aus. Aber ein Nachruf?
War Ihr Vater denn ein Funktionsträger in der Stadt? Ansonsten könnte man ja jeden Tag seitenweise Nachrufe auf irgendwelche Verstorbenen veröffentlichen, heißt es.
Ups – das ist jetzt nicht so feinfühlig. Aber ich kann es verstehen. Es ist ja nicht üblich, dass eine Tochter einen Nachruf auf ihren Vater schreibt. Da hat man Angst vor persönlichen Gefühlsduseleien.
Ich teile der Redaktion mit, dass mein Vater Studiendirektor am örtlichen Gymnasium war und zahlreiche Schülergenerationen zum Abitur geführt hat und dass es durchaus üblich ist, einem Studiendirektor einen Nachruf zu schreiben. Ich erwähne außerdem, dass ich beruflich schreibe, und es mir darum leicht fällt, einen Artikel zu schreiben, ich der Redaktion außerdem gerne die Recherche ersparen möchte. Und dann füge ich den Nachruf einfach als Attachement an – zusammen mit einem Foto. Das scheint dann doch zu überzeugen, aus welchen Gründen auch immer. Der Text erscheint heute in der Tageszeitung.
Mein letzter Gruß… 


Wer den Nachruf noch lesen möchte: Hier ist er. 

Nachruf von Wilhelm Weber

Er galt als Lehrer, der unverwechselbar war in seinem manchmal etwas schrägen Humor, seinen klaren Worten, seiner freundlichen Gerechtigkeit und seiner Fähigkeit, auch mal über sich selbst zu lachen.
Wilhelm Weber war fast 20 Jahre lang als Studiendirektor am Marianne-Weber-Gymnasium in Lemgo tätig und unterrichtete dort die Fächer Mathematik und Physik. Immer war er auch als Klassenlehrer in der Oberstufe eingesetzt und führte auf die Weise zahlreiche Schüler zum Abitur.
Geboren und aufgewachsen war der markante Pädagoge in Lemgo in der Kluskampstraße, in der er mit seinen Eltern und seiner Schwester lebte. Auch wenn seine Kindheit nicht immer einfach war, erinnerte er sich doch an viele lustige und unbeschwerte Momente. Nach der Schulzeit wurde er noch kurz vor Ende des Krieges zum Militärdienst einberufen und geriet in Kriegsgefangenschaft. Nach der Entlassung zog der zum Studium nach Kiel, wo er das Lehramt für Gymnasien studierte. Er erhielt seine erste Stelle als Studienassessor in Minden und lebte hier mit seiner Frau und seinen drei Töchtern fast 16 Jahre lang. Doch stets blieb es sein Wunsch, eines Tages wieder nach Lippe zurück zu kehren, denn „einen Lipper zieht es immer in die Heimat zurück.“ So bewarb er sich als Studiendirektor am Marianne-Weber-Gymnasium und zog mit seiner Familie wieder nach Lemgo.
Seinen Schülern blieben viele anschauliche und treffende Sprüche in Erinnerung, mit denen er seinen naturwissenschaftlichen Unterricht würzte, wie z.B.: „Das Elektron verhält sich genauso wie ein Schüler. Es sucht sich immer den bequemsten Weg.“ Und wenn eine Klasse mal komplett aus dem Ruder geriet und man in der Konferenz beschloss: „Da muss jetzt aber mal ein Mann rein – am besten der Weber“, dann schaffte er es innerhalb von kurzer Zeit, mit der Schülertruppe klar zu kommen.
Auch nach seiner Pensionierung war Wilhelm Weber nicht untätig. Er ging oft auf Reisen, malte gerne oder genoss die freie Zeit in Vereinen und im Garten.
Zuletzt wurde sein Gesundheitszustand immer beschwerlicher, sodass er das letzte Jahr im Seniorenheim am Schloss in Brake verbrachte, wo er im Kreise seiner Familie im Alter von 91 Jahren starb.
Er wird vielen eindrücklich in Erinnerung bleiben. 

Freitag, 7. Oktober 2016

Mein Vater


Ein Vater ist ein Vater ist ein Vater … Wenn es Väter zu kaufen gäbe, ich bin mir sicher, mein Vater wäre für mich wieder in die engere Wahl gekommen. Ein Vater wie er, aber mit einer etwas feinfühligeren Seite wäre der absolut perfekte Typ gewesen. Aber man nimmt, was man kriegen kann, und das war schon mal ziemlich gut!
Ich habe durch ihn gelernt, klar hinzuschauen und die Schwierigkeiten, die sich mir in den Weg stellten mit Mut, Stolz und festem Willen anzupacken. Ich habe auch gelernt, mir schnell eine Meinung zu bilden und sie kraftvoll zu vertreten – und wenn ich im Laufe der Zeit festgestellt habe, dass die Meinung nicht richtig war, habe ich sie korrigieren können und mir verziehen, eine Weile in eine falsche Richtung gelaufen zu sein.
Ich habe es gemocht, mit ihm zu diskutieren, mit ihm die Dinge zu analysieren und über verschiedene Ansichten zu streiten. Er war immer da. Und jetzt fehlt er sehr.
Der Tag morgen wird ein Berg für uns alle, doch wir haben ja gelernt, den Dingen, die getan werden müssen, nicht auszuweichen. Ihm würde es gefallen. 

Donnerstag, 6. Oktober 2016

Herbst



An einem leuchtenden Herbsttag hat sein Körper diese Erde verlassen. Es ist ihm schwergefallen, zu gehen. Unsere Tränen wünschen ihm alles Gute für die letzte Reise.
Die Zeit zwischen Tod und Begräbnis ist eine offene Wunde.