Mittwoch, 27. Januar 2016

Kurze Pause



So, meine Lieben, jetzt bleibt mir nur, das Köfferchen zu packen. Morgen gehts ins Krankenhaus. Ich habe schon ziemlich Bammel, das muss ich sagen. Wäre nett, wenn ihr ein paar Gedenkminuten für mich einbaut und mir ein bisschen Kraft schickt.
Und ansonsten … bin ich dann mal weg.

Freitag, 22. Januar 2016

Geduld lernen


Geduld gehört nicht gerade zu meinen größten Tugenden. Aber genau das brauche ich jetzt. In der kommenden Woche erfolgt meine Operation, einige Zeit später die Bestrahlung.
Unglücklich schaue ich in den Terminkalender, schreibe schweren Herzens erste Absagen für die Lesungen, die in dieser Zeit anstehen.
Eine lange Lesereise nach Österreich liegt mir ganz besonders am Herzen. Darum stelle ich nun an das Ärzteteam die besorgte Frage: „Habe ich es im April hinter mir?“ Abwinken, Kopfschütteln. „Machen Sie sich keinen Stress mit Terminen. Alles braucht seine Zeit.“
Der Organisator in Österreich ist total verständnisvoll und genauso traurig wie ich. Aber es ist nicht zu ändern.
Und nun winkte ich mal schnell nach Österreich rüber. Liebe Schüler da drüben, die sich auf eine Lesung gefreut haben. Ich bin echt unglücklich, dass es nicht klappt. Und ich hoffe einfach, dass wir uns nächstes Jahr sehen. 


Sonntag, 17. Januar 2016

Der geschenkte Tag


Es ist alles so schnell gegangen. Ein unglücklicher Sturz, Krankenhaus, Kurzzeitpflege und schließlich das gefürchtete  Altersheim. Es ist ein schönes Haus mit liebevoller Versorgung, und doch kann er sich nicht wirklich abfinden.
Ich schenke ihm einen Urlaubstag in seinem Haus. Verwandte und Bekannte warnen mich: Mach das bloß nicht – nachher will er nicht zurück.
Ich bespreche das mit ihm. Klartext können wir immer miteinander reden, das liebe ich so an ihm. Er versichert mir, nicht in Tränen auszubrechen, wenn es abends ins Altersheim zurückgeht.
Es ist ein großes logistisches Problem für mich, ihn und den Rollstuhl zu transportieren. Als wir vor seinem Haus ankommen, ist er zu Tränen gerührt.
„Dass ich das noch mal wieder sehe“, sagt er.
Mit seinem Sessellift fährt er langsam durch das Treppenhaus, betrachtet die Bilder an den Wänden, die er so liebt. Dann muss er den langen Flur entlang gehen und in jedes Zimmer schauen.
„Verausgabe dich nicht“, warne ich ihn. „Du bist wackelig auf den Beinen. Und die Wege sind lang.“
Auf dem Weg zum Wohnzimmer passiert es dann. Er ruft, fällt nach hinten. Ich versuche, ihn aufzufangen, doch er ist schwer. Immerhin verhindere ich, dass er sich verletzt hat. Aber dann liegt er da, und alle Versuche, ihn hochzuziehen, misslingen.
„Das schaffst du nicht“, entmutig er mich immer gleich, wenn ich an ihm ziehe.
Und dann gelingt es uns doch, gemeinsam und mit ganz viel Einsatz. Aber irgendwie müssen sich meine sechs Jahre Kraftstudio doch auch bezahlt machen.
Nach dem Essen schläft er in seinem Sessel ein, während ich mich durch die Bücherei meiner Mutter lese.
Als ich ihn zurückbringe, ist er dankbar für den Tag, aber auch dankbar dafür, dass er dort, wo er jetzt lebt, gut aufgehoben ist. Und ich verspreche, ihm immer mal wieder einen Urlaubstag zu Hause zu schenken.

Freitag, 15. Januar 2016

Stellt euch mal vor…


Stellt euch mal vor, die Frauen der Welt würden ihre Burka ablegen, ihren Nikab beiseite lassen oder ohne ihren Tschador auf die Straße gehen. Und plötzlich wäre die Hälfte der Welt voller Weiblichkeit, und die Menschen würden staunend um sich blicken, einander anlächeln und zuzwinkern. Es wäre Platz für Schönheit und Romantik und Erotik und Zärtlichkeit … 
Und mit einem Mal hätte niemand mehr Lust, für ein Leben im Jenseits zu sterben. 

Mittwoch, 13. Januar 2016

Freundschaftsanfrage Thomas M.



An Liebeserklärungen oder Heiratsanträge – schlecht übersetzt mit dem Google-Translater und mit abenteuerlicher Rechtschreibung - hatte ich mich schon fast gewöhnt. Auch dass ich hin und wieder eine Erbschaft von einem verschollenen Urgroßonkel aus Kuala Lumpur gemacht hatte, mehrere Millionen, die ich mir nur noch abzuholen brauchte, hatte mich nicht mehr aus den Puschen gehauen. Jetzt aber brachte mich eine Freundschaftsanfrage bei Facebook doch ein bisschen ins Grübeln. Thomas M., ein sonnenbebrillter Mann Anfang 40, Kurzhaarschnitt, Dreitagebart, mit breitem Grinsen und Nahkampfanzug. Seine savannenbraune Weste besitzt viele kleine Taschen, in denen unzählige kleine Zellophan verpackte Päckchen stecken. Wir haben keinen gemeinsamen Freund, und auch sonst wird er mir erst etwas von sich zeigen, wenn ich seine Freundschaft angenommen habe. Ich verzichte dankend. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es keine Schokolade ist, die sich in seinen Taschen befindet…
(Und jetzt zuckt es mich echt in den Fingern, euch das Foto von ihm hier zu posten – ich lasse es, damit ich mir keinen Ärger einhandele… Ihr wisst ja … die Päckchen!)

Dienstag, 12. Januar 2016

Andere Pläne


“La vida es lo que pasa mientras, estas hacienda otros planes” singt John Lennon in dem Song Beautiful Boy.
“Leben ist das, was passiert, während du dabei bist, andere Pläne zu machen.”
Ich hatte eine Menge anderer Pläne, und doch diese Unruhe im Herzen, es könnte alles anders kommen, als ich gestern zum Gespräch ins Screeningcenter geladen wurde. Leider kam alles anders. Der Tumor in meiner Brust entpuppte sich als „invasives duktales Karzinom“, was auf Deutsch leider Brustkrebs bedeutet. Das Karzinom ist noch klein, die Chancen auf Heilung stehen gut. Und doch geht das ganze Programm erst mal los: Operation, Bestrahlung, vielleicht Tabletten.
Ich, die immer das mit einer guten Gesundheit durchs Leben laufe, die das Gefühl hatte, Brustkrebs kann mir nicht passieren, schließlich habe ich drei Kinder bekommen und sie gestillt, schließlich lebe ich gesund, mache viel Sport … werde plötzlich mitten im Lauf gestoppt und auf mich selbst zurück geworfen.
Krebs trifft jeden Zweiten – warum sollte es da nicht auch mich erwischen?
Ich bin so froh, rechtzeitig zur Mammografie gegangen zu sein. Es war purer Zufall, dass ich den Termin wahrgenommen habe. Und wenn ich an dem Tag eine Lesung gehabt hätte, oder auch nur ein Treffen mit einer Freundin, ich hätte den Termin platzen lassen.
Was für ein großes Glück im Unglück.
Jetzt ist mein Leben ein bisschen in Schieflage geraten, und ich betrachte den Tag heute durch einen Nebelschleier. Aber ich habe mir vorgenommen, dieser Krankheit nicht so viel Raum zu geben, dass für andere Dinge kein Platz mehr ist.
Die kommenden Lesungen musste ich allerdings schweren Herzens absagen – die Zeit für`s Schreiben bleibt und tut mir gut.
Und sollte einer von euch da draußen heute eine Einladung vom ScreeningCenter bekommen, tut mir bloß den Gefallen und geht hin!



Mittwoch, 6. Januar 2016

Weihnachtsüberraschung


Zum dritten Mal bekomme ich nun schon so wahnsinnig liebe Weihnachtspost vom Publiczne
 Gimnazjum aus Walce in Polen.  An dieser Schule wird Deutsch als Fremdsprache unterrichtet, aber es leben auch viele Deutsche hier in der Region um Oppeln, und so wird Deutsch auch als Minderheitensprache erteilt. 
Die Schüler lasen im Unterricht das Buch „Im Chat war er noch so süß“ und entschieden sich nach dem Ende, auch noch die Fortsetzung zu lesen.
Die Rückmeldungen waren zu lieb, und alle würden sich riesig freuen, wenn ich mal zu einer Lesung vorbei käme. Ich bin natürlich SOFORT dazu bereit und hoffe, dass es in diesem Jahr tatsächlich klappt, diese netten Schüler und Lehrer kennen zu lernen. 

Montag, 4. Januar 2016

Mitleid


Heute erwischte mich die Trauer eiskalt. Ich war wie fast jeden Nachmittag kurz am Stall, um die Islandpferde reinzuholen, die bei dem schlechten Wetter schon am Gatter auf mich warteten. 
In der offenen Scheune im Stroh stand ein Pferd, drum herum einige Menschen, unter ihnen die Tierärztin. Eine ungute Ahnung überkam mich – und richtig. Der braune Welsh mit der weißen Blesse, freundliches Nachbarpferd meiner Stute Ros, wurde eingeschläfert.
Die Besitzerin, ein junges Mädchen, lag in den Armen ihres Vaters und weinte bitterlich. Alle anderen standen mit traurigen Gesichtern herum und wussten nicht, was sie sagen sollten.
Ich wollte nicht stören. Diese Atmosphäre hatte eine eigene Innigkeit, zu der ich mich nicht zugehörig fühlte. So schlich ich leise über den Hof und bemühte mich, nicht zu stören.
Als ich aus dem Stall kam, war alles schon geschehen. Das Pferd lag ausgestreckt im Stroh, das Mädchen lag weinend über das Pferd gebeugt und streichelte das weiche Pferdemaul. Ich ging zu ihr und sagte ihr, dass es mir Leid täte, aber dann liefen mir selbst die Tränen, und ich hatte Mühe, das alles auszuhalten. Total traurig stahl ich mich leise davon, unglücklich, so wenig Trost geben zu können.