Meine Schwiegermutter
und mein Vater verstehen sich gut. Manchmal nehme ich sie mit, wenn ich ihn
besuche. So auch heute.
Unterwegs plötzlich: „Oh
nein, auch das noch! Jetzt geht das wieder los!“
Ich steige in die
Bremsen.
„Was ist denn?“
„Mein Hörgerät. Die
Batterien sind leer.“
„Soll ich zurück
fahren und welche holen?“
„Waaaas? Och, nicht
so schlimm, Annette. Du hast ja eine klare laute Stimme…“
: - o
Wir sind bei meinem
Vater angekommen. Er kommt uns schon im Treppenhaus entgegen. Blutend.
„Was hast du denn
gemacht?“, rufe ich entsetzt.
„Ach. Nicht so
schlimm. Beim Rasieren geschnitten.“
„Wieso rasierst du
dich denn immer mit diesen schrecklich scharfen Klingen. Warum nimmst du nicht
einen normalen Rasierer?“
Mein Vater winkt ab. „Der
taugt doch nichts. Im Alltag vielleicht, aber wenn Besuch kommt, muss man sich
nass rasieren. Ich wollte mich doch schick machen für euch. Aber ich kann immer so schlecht sehen.“
Wir finden einen
Blutstiller. Dann geht es.
Gemeinsam trinken wir
Kaffee. Mein Vater wirkt unkonzentriert. Schließlich vertraut er uns an, was
ihn so lange schon beschäftigt. Er hat einen Schlüssel verloren. Vielleicht
auch versteckt. Das weiß er nicht mehr.
„Versteckst du denn
plötzlich Sachen?“, frage ich. „Das ist mir noch gar nicht aufgefallen.“
„Manchmal mache ich
es glaube ich“, gibt mein Vater zu. „Kannst du mal beim
Suchen helfen. Hinter den Bildern habe ich schon gesucht.“
Erst jetzt bemerke
ich, dass alle Bilder im Treppenhaus schief hängen.
Ich suche in seinen
Jackentaschen, rund um das Schlüsselbrett, im Arbeitszimmer unter dem Regal.
Mein Vater beobachtet mich nachdenklich.
„Jetzt kommt mir noch
eine Idee“, sagt er. „Kannst du mal unter der Kellertreppe gucken? Vielleicht
habe ich ihn dort unter die Decke geklebt.“
„Das ist aber ganz
unwahrscheinlich“, sage ich. „Wie willst du denn dahin gekommen sein.“
„Ich komme da schon
hin“, meint mein Vater. Dann sieht er zu, wie ich mit einer Taschenlampe unter
den Treppenabsatz robbe. Es ist natürlich nichts zu finden. Als ich zurück
krieche, stoße ich mir den Kopf an der Decke.
„Du hast recht“, sagt
er schließlich. „Da kann ich ja gar
nicht hin gekrochen sein. Ich sollte den Schlüssel an einem Ort suchen, den ich
gut erreichen kann. Im Klavier vielleicht.“
Aber auch da ist er
nicht. Eigentlich ist der Schlüssel auch gar nicht wichtig. Es gibt einen
zweiten Schlüssel. Aber mein Vater kann so schwer loslassen.
Schließlich gelingt
es doch, ihn abzulenken, und wir gehen in den Garten, pflücken Himbeeren,
Johannisbeeren und ein paar unreife Augustäpfel.
„Die eignen sich
besonders gut für Apfelmus“, sagt meine Schwiegermutter.
Die Sonne scheint,
und als wir mit Eimern beladen ins Haus zurückkehren sind alle guter Dinge. Erst
mal jedenfalls.
(Foto: Park in Santa Fe)
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