Donnerstag, 21. Februar 2013

Wohngemeinschaft auf Zeit




„Sie nehmen das Zimmer rechts“, sagt die Vermieterin der Ferienwohnung in Bamberg und führt mich in ein schickes Apartment  im 2. Stockwerk ihres Hauses. „Ihr Kollege kommt erst gegen 19.00 Uhr.“
„Mein WER?“, frage ich irritiert.
„Ja hat man Ihnen das nicht gesagt? … Ach, Sie kennen sich gar nicht…“
Nein, dass ich mir eine Wohnung mit einem Kollegen teilen soll, hat mir niemand erzählt.  Es irritiert mich ein wenig. Hoffentlich ist er nett. Autoren können manchmal so kleinlich sein. Es gibt auch viele, die pausenlos von ihren Büchern reden.
Abends lerne ich ihn kennen. Er heißt CollinMcMahon, und ist genauso irritiert wie ich, die Wohnung mit einer Unbekannten zu teilen.
Gott sei Dank ist er total sympathisch. Wir setzen uns noch zusammen und  erzählen über uns und unsere Familien. Collin ist Amerikaner und in Deutschland aufgewachsen.  Er berichtet von seiner Frau, seinen Zwillingstöchtern und seinem Hund. Es ist lustig, sich mit ihm zu unterhalten.
Über die Arbeit reden wir kaum. Collin hat noch nicht mal die Bücher dabei, die er geschrieben hat. Die hat er für die Lesung im Auto gelassen.
Erst am nächsten Tag bringt er sie auf mein Drängeln mit in die Wohnung und zeigt sie mir.  Er hat beim Loewe-Verlag eine Fantasiereihe für Kinder erstellt, die  sich „Das Zauberschwert“ nennt und Cyberkrimis für Jugendliche geschrieben. Mit diesen Büchern ist er auch zu den Lesungen an Grundschulen eingeladen. Außerdem schreibt er Drehbücher und macht Übersetzungen. Seine berühmteste Übersetzung ist die zu Gregs Tagebüchern.
Auch jetzt brennt ihm ein Abgabetermin für eine Übersetzung unter den Nägeln. Ich überlasse ihm die große Wohnküche und bummele durch Bamberg. Als ich zurückkomme, ist er in seine Arbeit versunken und taucht erschrocken aus einer anderen Welt auf.
Am nächsten Tag ist die Übersetzung auf den Weg gebracht. Collin ist gut gelaunt und erleichtert. Ein bisschen Zeit, sich zusammen zu setzen. Bei einer Lesung haben wir eine Flasche guten Frankenwein bekommen. Den trinken wir gemütlich und erzählen.
Es ist schön, mal nicht allein in einem Hotelzimmer abzuhängen. Eine Wohngemeinschaft mit einem Kollegen ist auf alle Fälle eine lustige Alternative. Jedenfalls wenn es ein so netter Typ wie Collin McMahon ist.

4 Kommentare:

  1. Oje, mir fielen sofort ein paar Kollegen ein, mit denen ich keinesfalls eine Wohnung teilen möchte. Wie schön, dass du es so gut getroffen hast!

    Herzlichst
    Marie
    (gerade sehr froh über "keine Lesereisen")

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  2. na, der sieht ja schon richtig nett aus...er hat sich nachher bestimmt genauso gefreut wie Du.
    Liebe Grüße
    Heidi

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  3. Frei nach dem Motto "man hat im Urlaub das Wetter, das man verdient", könnte man hier sagen, dass du offenbar den netten Mitbewohner auch verdient hast. Huch, wenn das ein Drachen gewesen wäre...

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  4. Wenn es passt ist das super! Du hattest Glück...

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