Es hatte doch alles so gut ausgesehen. Sie
war so zuversichtlich gewesen, bei ihrem Weg gegen die Krankheit. Dass sie
plötzlich im Hospiz liegt, kann ich gar nicht fassen.
Ich bin froh, dass sie mich sehen will. Sie
freut sich auf dich, sagt ihr Mann.
Als ich in ihr Zimmer trete, ist mir eng ums
Herz. Sie sitzt im Sessel und hat auf mich gewartet. Auf den ersten Blick sieht
sie aus wie immer – oder doch nicht ganz. Der Hals ist angeschwollen. Der Blick
ist müde. Die Stimme heiser.
Sie habe nicht viel Kraft zu sprechen, sagt
sie. Aber dann muss sie doch einiges erzählen. Dass sie gut Abschied nehmen
kann. Dass sie weiß, dass das nicht das Ende ist. Dass es danach weiter geht
mit einer anderen Aufgabe. Es tut ihr Leid, dass sie uns zurück lassen muss.
Besonders ihren Mann und die Kinder. Aber sie hat versucht, zu bleiben. Es
sollte nicht sein. Jetzt hat sie alles besprochen und geklärt, was noch offen
war. Und nun hofft sie, dass das Ende schnell kommt und dass sie keine
Schmerzen hat.
Sie hadert noch mit den Menschen, die ihr
sagen, sie hätte vielleicht doch die Chemo machen sollen, sie hätte die
Bestrahlung nicht abbrechen sollen, sie hätte nicht nach Alternativen suchen
sollen. Jetzt wird sie noch mal ganz ärgerlich. Aber auf mich muss sie es nicht
sein. Ich bin auf ihrer Seite. Ich habe sie für ihre Klarheit bewundert. Und wahrscheinlich
wäre ich diesen Weg auch gegangen.
Nach zehn Minuten ist die Kraft zu erzählen
vorbei. Sie muss sich hinlegen.
„Ich kann nicht mehr reden“, sagt sie. „Erzähl
du mal was.“
Was soll ich sagen? Ich bin doch gekommen, um
zuzuhören.
Ich erzähle ihr, was sie mir bedeutet, was
ich durch sie gelernt habe, wie mein Leben durch die Begegnung mit ihr
bereichert wurde. Sie lächelt.
Nach einer Weile schließt sie die Augen. Ich weiß,
ich muss mich jetzt verabschieden. Das ist ein schwerer Moment.
„Melde
dich, wenn du mich brauchst“, sagt sie. „Dann bin ich von der anderen Seite des
Lebens für dich da.“
Wir umarmen einander ganz fest. Und dann gehe ich.
Draußen schlägt mir kalter Nieselregen entgegen.
Ich habe den Tag mit Weinen begonnen. Nun schliesse ich ihn auch mit Tränen ab.
AntwortenLöschenWie schmerzhaft, wie versöhnlich aber auch!
Danke dir fürs Mitnehmen in diesen unendlich zarten Schwellenmoment.
Gabriela
Ach, das Gehenlassen fällt uns schwer, das Hinüberwechseln vom Leben in den Tod bereitet den Bleibenden und den Gehenden große seelische Schmerzen. Wir wissen, das Leben ist endlich, aber wir verdrängen dieses Wissen, bis es uns trifft. Bei Freunden, Verwandten oder bei uns selbst. Wir wollen das nicht. Wir sehnen uns nach einer irrealen Unendlichkeit und dichten uns eine schöne Mär vom himmlischen Leben. Aber unsere Lieben wohnen in den den Lebenden weiter. Wo denn sonst? Von Generation zu Generation. Von Freunden zu Freunden.
AntwortenLöschenAuch mein Herz trauert. Kalinka
Abschied nehmen fällt meistens schwer... aber an sich ist es auch gut, wenn man bewusst abschließen kann, bevor man gehen muss.
AntwortenLöschenIch wünsche ihrer Familie alles Gute, die sie noch lange vermissen wird!
Bin traurig, dass ich nicht in ihrer Nähe gewohnt habe, ich hätte ihr so gerne beigestanden.
AntwortenLöschenGerne hätte ich sie noch einmal besucht im Hospiz, Heidi sagte mir am Telefon, behalte emich so in Erinnerung wie wir uns letztes Jahr in Hannover gesehen haben.
Ich danke Heidi, dass sie immer für mich da war, wenn ich Probleme hatte, sie hat mir immer wertvolle Tipps gegeben. Ich konnte sie eigentlich immer anrufen, nur wenn ihre Serien on TV kamen, wollte sie nicht gerne gestört werden..... (lach).
Annette, dir danke ich für das schöne Gespräch mit ihr, das hat ihr sicher gut getan.
ich werde mich immer gern an unsere Heidi erinnern, sie hat mir bei einem Besuch bei uns in Nordhorn auch ein paar Steine und eine große Muschel aus Helgoland geschenkt, sie haben einen Platz auf unserem Kaminsims.