„Wie kamen Sie
eigentlich zum Schreiben?“, fragen Schüler oft. Diese Frage macht mich immer
etwas ratlos. Wie kommt man zum Schreiben?
Bei uns Zuhause wurde natürlich
geschrieben: Einkaufslisten zum Beispiel, oder auch mal einen Vortrag. Aber
schon da werde ich nachdenklich. Denn wenn mein Vater einen Vortrag halten
musste (was Gott sei Dank nicht oft vorkam), war das gleich ein Familiendrama,
an das ich mich sogar heute noch lebhaft erinnere. Mein Vater war Mathe- und
Physiklehrer, und so lag ihm das Reden und Schreiben nicht. Darum besprach er sich
vorher lange mit meiner Mutter, hielt ihr den Vortrag in der Küche und sie
verbesserte vieles. Er korrigierte seine Rede, hielt sie ihr noch einmal, übte sie dann lange im Wohnzimmer, indem er unruhig auf und ab wanderte. Wir Kinder
litten ein bisschen mit ihm, machten uns aber auch über ihn lustig.
Meine Mutter,
sicherlich wortgewandter als mein Vater, hielt nie eine Rede. Sie ließ stets
anderen (vor allem ihrem wortgewaltigen Bruder) den Vortritt. So kann ich gar
nicht sagen, ob sie es besser gemacht hätte.
Das Schreiben stand
also in meinem Elternhaus nie im Mittelpunkt. Aber vielleicht war es gerade
diese tägliche Dramatik, die mich zum Schreiben inspirierte. Die Tatsache, dass
aus jeder Kleinigkeit ein großer Aufstand gemacht wurde, an dem wir alle
teilhatten, machte den Alltag lebendig. Außenstehende empfanden das stets als anstrengend,
aber ich kannte es nicht anders.
Meine Mutter liebte
es, die Dinge übertrieben darzustellen, mein Vater redete sie herunter, meine
Schwestern und ich wurden zur Wahrheitsfindung heran gezogen. Schnell entwickelte
sich ein Elefant aus einer Mücke.
Ich erinnere mich,
dass ich einmal einen Schulaufsatz schreiben musste: Ein Streitgespräch. Das
fiel mir leicht. Ich notierte einfach nur ein ganz normales Familiengespräch
beim Mittagessen und las es einen Tag später in der Schule vor. Meine
Klassenkameraden und meine Deutschlehrerin wischten sich vor Lachen die Tränen
aus den Augen.
Als ich den Aufsatz
einen Tag später zu Hause vorlas, wunderten sich alle über meinen Schulerfolg.
„Was soll denn daran
witzig sein?“, fragte meine Schwester.
(Foto: Nagold)
Liebe Annette,
AntwortenLöschenich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, aber vielleicht war das auch zu einer Zeit, als wir noch nicht oder nicht mehr in einer Klasse waren. Ich kann mir das sehr lebhaft vorstellen. Es ist ja oft so, dass das was andere komisch finden für einen selbst überhaupt nicht witzig ist. Bei uns gingen "solche Probleme" nicht ums Schreiben sondern um Anschaffungen. Boa, wenn da mal was Größeres gekauft werden sollte, wie z. Bsp. ein Auto oder gar um eine Küche...da gab es Wochen und manchmal monatelang kein anderes Thema...
Ich hätte gerne mal Mäuschen gespielt, damals bei Euch zu Hause....
Liebe Grüße
Heidi