Montag, 13. Januar 2014

Singen aus der Stille




Vor einigen Monaten war ich in dem kleinen anthroposophischen Dorf Schloss Hamborn spazieren. Als ich die Straße entlang ging, die mich Richtung Schule führte, hörte ich einen ungewöhnlich schönen und harmonischen Gesang, der immer intensiver wurde, je näher ich dem Musikgebäude kam. Es schien geradezu eine Klangwolke über den Musikraum zu schweben. Ich setzte mich auf eine Bank und lauschte fasziniert. Wer sang dort? Und was sangen sie?
„Ach, das war bestimmt ein Wochenendseminar zum Heilenden Singen“, klärten mich die Hamborner später auf. „Singen aus der Stille – das gibt es auch in der Rehaklinik.“
Mir war klar, dass ich das auch mal ausprobieren wollte.
Ich suchte im Internet nach einem Seminar dazu, aber so recht fündig wurde ich nicht. Und dann kam wieder der ganz normale Alltag und ich vergaß es.
Ein paar Monate später war ich zu einem Workshop an einer Paderborner Schule, als mir eine Lehrerin auf dem Flur entgegen kam. Sie sang leise und vergnügt vor sich hin. Wir redeten über Lieder, Musik und Chöre, und ich fragte sie, ob sie in einem Chor mitsinge. Einen Moment lang war sie vorsichtig mit der Antwort. „Nicht direkt“, sagte sie dann. „Ich singe in einem Singkreis mit. Singen aus der Stille nennt es sich."
Da war es also wieder, mein Singen.
Ich fragte genauer nach und erfuhr, dass sich dieser Kreis einmal die Woche in einer Paderborner Schule trifft – ganz unverbindlich, ohne sich zu verpflichten, regelmäßig zu kommen. Wer Lust hat kommt und singt mit. So etwas ist perfekt für mich. 
Und so war ich in der letzten Woche bei diesem Singkreis. Es war ein seltsamer Kreis an Sängern, ein bisschen esoterisch, ein bisschen unvertraut, aber … ja, es hat mich echt fasziniert. Wir sangen ohne Noten. Noch nicht mal Texte hatten wir. Die Lieder wurden wieder und wieder gesungen, bis sie jeder aus tiefer Kraft mitsingen konnte. Und dann schwiegen wir und der Klang legte sich wie ein Seidentuch über unsere Schultern.
Als ich nach Hause kam, fiel mir kein einziges Lied mehr ein – alles wie weggeblasen. Aber als ich am nächsten Tag um den See joggte und dabei der Sonne zuschaute, wie sie am Horizont auftauchte, kam mir ein Lied zugeflogen. Ein stiller Fluss der fließt durch einen Zauberwald…

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