"Wenn man einen Menschen auf ein Podest stellt, macht man das in der Regel, um an seinem Sockel zu sägen", pflegte der Gestalttherapeut immer zu sagen, bei dem ich meine Ausbildung gemacht hatte.
Wie Recht er doch damit hat. Immer wenn die Medien jemanden hochpuschen, warte ich mit Sorge auf den Moment, in dem sie ihn vom Denkmal stoßen.
Diesmal trifft es unseren Minister von und zu Guttenberg.
Die Medien hatten ihn hochgejubelt, seine Tatkraft gewürdigt, ihn schon als Bundeskanzler der Zukunft gesehen. Aber sein sicheres und aristokratisches Auftreten und sein gutes Aussehen waren einfach zu viel des Guten. Da schlug die Welle schnell um.
Man suchte und fand. Erst gerieten die Vorfälle auf der Gorch Fock in seinen Verantwortungsbereich, doch gelang es ihm einigermaßen tapfer, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. So suchte man weiter.
Eine Doktorarbeit ist ein sicheres Feld. Falsche Zitate oder "vergessene" Fußnoten findet man sicherlich in jeder Arbeit.
Einer brachte zur Freude der Medien den Stein ins Rollen. Dann wurde die Doktorarbeit Guttenbergs von vielen gegoogelt und die Sätze durch Suchmaschinen gejagt. Ergebnisse wurden gefacebookt oder getwittert. 24 falsche Zitate twitterte man gestern Nachmittag, 32 abends und 50 heute morgen.
Bei Revolutionen und Auflehungen gegen Diktaturen ist das Internet ein wahrer Segen, bei der Jagd auf einen einzelnen aber ein Fluch.
Eins kann den armen Minister vielleicht trösten.
Eine Doktorarbeit wird in der Regel nur von 10-20 Personen gelesen.
Seine Arbeit aber geht sicherlich schon in die 3. Auflage.
Na ja, ich finde schon, dass man da differenzieren muss... vorhin war in den Nachrichten von über achtzig(!!) "vergessenen" Quellenangaben die Rede. In einer Mittelstufen-Hausarbeit mag das angehen, wenn es ein- oder zweimal passiert, aber in einer Doktorarbeit - sozusagen der Königsdiziplin des wissenschaftlichen Arbeitens - halte ich es, gelinde gesagt, für peinlich. (Zumal, wenn Sätze auch noch (fast) wortwörtlich abgeschrieben sind.)
AntwortenLöschenUnd du hast insofern recht, als dass so ein Fehlverhalten gefundenes Fressen ist für all die Neider, denen der Minister zu jung, zu aristokratisch, zu gebildet, zu gutaussehend oder zu was-auch-immer war.
Dass dieser wissenschaftliche Faux-Pas in den Medien so aufgebauscht wird, ist allerdings ein gutes Zeichen: Offenbar passieren im Moment keine großen Katastrophen in unserem Land.
Was das Hochjubeln und Niedermachen angeht, hast du recht, Annette. Das ist sehr verbreitet in unserem Land. Allerdings hat gerade zu Guttenberg die Medien sehr gerne in seinem Sinne zur Inszenierung genutzt, mehr als andere Politiker. Nun scheint ihm aus der Hand zu gleiten, was ihm vorher zum Vorteil gereichte.
AntwortenLöschenUnd sollte er wirklich zigfach ohne Quellenangabe abgeschrieben haben, kann ich das nicht so abtun. Es geht ja hier nicht um ein paar vergessene Fußnoten. Eine Dissertation ist nämlich nicht das Zusammenstückeln von fremden Gedanken, sondern sie ist (sollte sein) eine wirklich eigenständige wissenschaftliche Arbeit. Wer das nicht so ernst nimmt, handelt auch unfair gegenüber all denen, die Jahre harter Arbeit für ihre Dissertation hingewendet haben.
Das Urheberrecht gilt auch für wissenschaftliche Arbeiten, und gerade wir als Autoren sollten sensibel dafür bleiben.
Liebe Grüße
Luise
Dem schließe ich mich an. Allerdings rechtfertigt es nicht die mediale Hetzjagd. Guttenberg hat möglicherweise nicht rechtens gehandelt und soll dafür die Konsequenzen tragen, wenn dem so ist. Wie war das doch nochmal mit dem Werfen des ersten Steins???
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