Sonntag, 4. November 2012

Kontakte




In der Straße, in der mein Vater wohnt, ist ein Mehrgenerationenhaus entstanden.
„Willst du nicht mal rüber gehen und es dir anschauen“, schlage ich ihm vor. „Vielleicht kannst du da Mittag essen. Vielleicht gibt es irgendwelche Kurse. Vielleicht findest du dort auch Anschluss. Der Winter kann verdammt lang werden, und du bist immer so viel alleine“, sagte ich.
„Nein, nein“, winkt mein Vater ab. „Was soll ich da? Das ist nichts für mich.“
Als wir nun an dem Haus vorbei gehen, sehen wir ältere Menschen miteinander tanzen. Mein Vater wird neugierig. Wir stehen eine Weile am Fenster und schauen zu. Da winken die Menschen zu uns herüber.  Das ermutigt uns, am Haus zu klingeln. Freundlich werden wir hinein gebeten und treffen auf die Freie Altenhilfe, eine Tagespflegestation für älteren Menschen. Sie sind alle so herzlich, führen meinen Vater herum und zeigen ihm alles. Da beschließt mein Vater, regelmäßig zu ihnen zu gehen, und sei es auch nur für ein Mittagessen.
„Der Winter ist schließlich lang“, sagt er. „Und ich bin immer so viel allein.“ 

Foto: "Glücksbaum" in Korea

5 Kommentare:

  1. Eine gute Idee liebe Annette
    Mitlerweile werden für Senioren interessante Sachen angeboten und ich denke es wird Deinem Vater Freude machen.

    Liebe Grüße zum Wochenstrat
    Angelika

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  2. Liebe Annette,

    das zu lesen, hat mich sehr gerührt. Ist es nicht wunderbar, dass es sowas gibt? Wie einsam manche Menschen im Alter sind, ist erschreckend. Und dann wird es auch noch so früh dunkel, was einer Altersdepression auch noch zuspielt. (Nicht gerade selten.)
    Jedenfalls ist sehr schön zu lesen, dass Dein Vater keine Hemmungen mehr hat, dorthin zu gehen.:)

    Liebe Grüße,
    Nikola

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  3. Schöner als eine gezielte Einrichtung sind aber organisch gewachsene Strukturen, in denen junge und alte Menschen zwanglos einfach miteinander kommunizieren. Ich stelle mir dazu ein ganz normales Mietshaus vor, in dem ja meistens viele Generationen unter einem Dach leben. Es muss sich nur jemand finden, der die Nachbarn zusammenbringt. Ein Raum im Haus für gemeinsame Veranstaltungen würde reichen. In unserem Haus klappt das ganz zwanglos.

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  4. Ach, wie schön, das freut mich für Deinen Papa und auch für Dich, brauchst Dir halt nicht ganz so viele Sorgen zu machen.
    LG
    Heidi

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  5. Ich finde es natürlich auch viel schöner, wenn es organische Strukturen gibt, aber wenn man alt wird, gehbehindert wird, schwerhörig wird oder erblindet, reduzieren sich die Kontakte, selbst wenn man ein kontaktfreudiger Mensch ist.
    Ich bin jedenfalls auch total froh über solche Einrichtungen, und dankbar für die Menschen, die dort arbeiten.
    Gruß Annette

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