Dienstag, 10. Oktober 2017

Kleine Gesten


 

Es ist einer dieser unglaublich stürmischen Herbsttage. Die Menschen haben sich in ihre Wohnungen zurückgezogen. Der Marktplatz ist fast leergeräumt. Nur ein Blumenhändler versucht, seine Blumen und Gestecke vor dem Wind in Sicherheit zu bringen. Hektisches Kramen ist aus dem Lieferwagen zu hören.
Ich eile über den Marktplatz, die Kapuze ins Gesicht gezogen. Vor mir geht ein Jugendlicher mit schnellen Schritten. Er sieht noch jung aus, 16 vielleicht, hat dunkle Haut, die schwarzen Locken zu kleinen Rasterzöpfen gefilzt. Vielleicht ist er einer dieser unbegleiteten jugendlichen Flüchtlinge, fällt mir ein.
Jetzt weht ein kleiner Blumentopf über den Platz. Es ist ein Plastiktopf, wie man ihn für Setzlinge benötigt, unnütz – Müll eigentlich. Der Jugendliche jagt dem Plastiktopf nach, hält ihn auf und trägt ihn zum Blumenstand zurück. Er steckt ihn zwischen zwei Gestecke, damit er nicht wieder wegwehen kann.
Der Blumenhändler ist in seinem Lieferwagen mit dem Einräumen beschäftigt und nicht zu sehen. So bleibt diese kleine Hilfsbereitschaft unbemerkt.
Aber warum hat er sie trotzdem gemacht? Warum hat er Energie in diesen Blumentopf gesteckt, ist ihm hinterhergejagt, hat sich danach gebückt, hat ihn auch noch zurückgetragen? Wollte er nicht, dass Müll auf dem Marktplatz herumliegt? Wusste er den Topf nicht als Müll einzuschätzen? Wollte er einfach jemanden das zurückgeben, was ihm gehört?
Die kleine Geste rührt mich irgendwie. Ich denke an Schwellenländer, in denen der Müll einen ganz anderen Wert hat. Ich denke daran, dass der Junge so spontan und selbstverständlich handelte. Und ich denke auch daran, dass ich nicht hinter dem Blumentopf hergelaufen wäre. Wie lieb, dass er es getan hat. 

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