Mittwoch, 24. Februar 2016

Elternschock


Morgens beim Zeitunglesen musste ich schon grinsen. Unsere Zeitung brachte ein Zitat von Jan Weiler: „Man kann seine Eltern heute am ehesten schockieren, indem man sich einen Bart wachsen und einen Koran im Zimmer rumliegen lässt. Dann brennt die Hütte.“
Es ist also endlich wieder leicht geworden, seine Eltern zu schockieren.
Die Generation unserer Kinder dagegen hatte ziemliche Mühe, sich von uns Eltern abzugrenzen. Da musste man sich Metall in die Nase und die Lippe stoßen lassen, man musste sich Rasterzöpfe flechten lassen oder die Haare zu einem Kamm rasieren und in bunten Farben zum Leuchten bringen. Viele dieser Distanzversuche kosteten echte persönliche Opfer und ein irres Geld. Noch schwieriger aber war es, eine eigene Weltanschauung zu vertreten, denn wir Eltern waren an allem interessiert und zeigten Toleranz, wir teilten die Kleidung mit ihnen und ahmten – wenn es nicht gerade Rasterzäpfe und farbige Kämme waren – ihre Frisuren nach. Auf die Weise wird es schwer, die eigene Identität zu entwickeln.
Aber ob Koran oder Rasterzöpfe, die Zeit ist für Eltern und Jugendliche immer furchtbar anstrengend. Ich erinnere mich an einen Elternabend – einer meiner Söhne war in der Achten – als wir Eltern alle im Kreis saßen, schweigend, müde, mit tief liegenden grau geränderten Augen. Und irgendwann sagte eine Mutter in die Stille: „Ja, so ist es.“ Sie erklärte nichts, und doch wussten wir alle, wovon sie sprach. „Es ist wie eine Kinderkrankheit“, sagte dann jemand anderes. „Je schlimmer es kommt, umso besser ist es.“
Ich habe es hinter mir – und darüber bin ich heilfroh. Mut an alle, die es noch vor sich haben oder mittendrin stecken: Es ist irgendwann vorbei. 

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