Wieder sind liebe Schülerbriefe für Hasan Tas gekommen, und weiß, wie sehr er sich darüber freuen würde, dass
die Schüler so liebevoll Anteil an seinem Leben nehmen. Leider habe ich seit
einiger Zeit keinen Kontakt mehr zu ihm. Der letzte Brief an ihn kam zurück, im
sozialen Netzwerk ist Hasan verschollen, und seine Mutter antwortet mir nicht.
Ich mache mich auf die mühsame Suche nach ihm, durchforste die Facebook-Freundesliste
der Mutter und versuche, mich an Namen zu erinnern, die Hasan erwähnt haben
könnte. Schließlich sehe ich in der Liste einen Frauennamen, der mir bekannt
vorkommt, und als ich mir das Foto genauer anschaue, glaube ich, eine
Ähnlichkeit zwischen ihr und Hasan erkennen zu können. Ich schreibe sie an, und
tatsächlich ist sie seine Schwester. Sie antwortet auch gleich, schreibt aber
auch, dass sie keinen Kontakt zu Hasan habe und seine Adresse nicht kenne. Das
hört sich nicht gut an. Die Sorge, Hasan könnte wieder im Gefängnis sitzen,
überkommt mich. Schließlich ist die Rückfallquote unter den entlassenen
Häftlingen riesig. Ich schreibe ihr erneut und frage ganz direkt, ob Hasan
wieder einsitzt. Es kommt eine empörte Antwort. Natürlich sitzt er nicht ein
(*Steinvomherzkuller), es gehe ihm gut und er lebe mit seiner Freundin zusammen
und habe ein schönes Leben.
Sie vermittelt mir schließlich einen Kontakt zu Hasans älterem Bruder. Von ihm erfahre ich Hasans Adresse und mit Hasans Einverständnis auch die Handynummer. Und dann
habe ich ihn endlich an der Leitung. Wie ich mich freue! Er klingt cool und
witzig, wie immer.
Ja, es geht ihm tatsächlich sehr gut. Er arbeitet als
Zerspanungsmechaniker und verdient gutes Geld. Außerdem hat er lange mit seiner
Freundin zusammengelebt. Nun allerdings steht die Trennung an, und er ist
gerade wieder Single. Musik macht er leider nicht mehr, dazu fehlt die Zeit,
aber er hört immer noch gerne Rap. Der Kriminalität hat er schon lange
abgeschworen, und er lacht, als ich ihm erzähle, dass ich mir Sorgen gemacht
habe, er säße wieder ein.
„Frau Weber, Sie wissen doch!“, ruft er fröhlich. „Sie können sich auf mich
verlassen.“ Ja, das kann ich echt!
„Grüßen Sie mir alle, die meine Bücher lesen“, sagt er noch. Das habe ich
hiermit getan.