Die Entscheidung, aus der Schule auszusteigen, um nur noch zu schreiben, fiel lange bevor sie für mich Realität wurde. Zunächst war sie nur ein ferner Traum, eine Idee, eine Fantasie.
Ich erinnere mich noch gut an den Tag der Entscheidung.
Ich saß mit einer Gruppe von Lehrern in einem Gestaltpädagogik-Seminar. Ein Teilnehmer, müde und unglücklich über seinen Schulalltag, hatte den Impuls in die Gruppe gebracht: „Am liebsten würde ich aussteigen.“
Da wurden wir alle lebendig. Aussteigen aus dem System, frei sein, neue Wege gehen, das wollten wir alle gerne. Doch die finanziellen Gründe, so glaubten wir, hielten uns an unserem Platz gefangen.
Unser Trainer lud uns schließlich zu einer Übung ein.
„Stell dir vor, du hättest die freie Wahl. Stell dir vor, es gäbe eine Lehrerschwemme und die Schulverwaltung bietet dir an, bei vollem Lohnausgleich aus deinem Beruf auszusteigen. Wie würdest du entscheiden?“
Erst lachten wir vergnügt bei der Vorstellung, die große Freiheit vor Augen zu haben. Doch dann wurde auch der Blick auf die schöne Seite des Berufes frei. Auf die Lebendigkeit, mit den Schülern zu arbeiten, auf den netten Kontakt zu Kollegen. Viele wurden nun nachdenklich. Zögerten plötzlich.
Wir bekamen die Aufgabe, einen Brief an die Gruppe zu schreiben.
Aussteigen, ja oder nein. Wie entscheidest du dich?
Erzähle der Gruppe aus deinem Leben, drei Jahre später.
Die Mittagspause verlief schweigend. Jeder saß in irgendeinem Winkel des Tagungshauses und schrieb.
Dann gab es die große Präsentation. Einer nach dem anderen trat vor die Gruppe und las seinen Brief vor. Das war ein spannender Moment. Einige Teilnehmer hatten sich für das Aussteigen entschieden. Andere waren in der Schule geblieben. Jeder Brief war eine große Überraschung. Nichts war vorhersehbar.
Ich hatte mich bei dieser Fantasieübung für das Aussteigen entschieden - und für meinen Traum vom Schreiben.
Erst viele Jahre später, als der Berg an unpädagogischen Anweisungen von den Schulbehörden größer, die Kontrollen schärfer und der Ton härter wurde, beschloss ich tatsächlich, meine Schultasche zu packen.
Eine wundervolle Entscheidung!
(Foto: Lappland, Schweden)
(Foto: Lappland, Schweden)
Liebe Annette,
AntwortenLöschenes hat mich sehr fasziniert davon zu lesen. Bestimmt war es eine viel schwierigere Entscheidung, als es hier anklingt.
Wer besitzt schon finanzielle Freiheit?
Ich denke da vor allem an die Männer, die heute meistens doch noch den Löwenanteil zum Familiengehalt einfahren, besonders wenn noch kleine Kinder da sind.
Deshalb wundert es mich nicht, dass so viel mehr Frauen Lesen und Schreiben.
Hut ab, dass Du diesen Schritt gewagt hast!
Liebe Grüße
Nikola
Auf alle Fälle habe ich den Schritt erst gewagt, als ich vom Schreiben (halbwegs) leben konnte. Und ich hatte immer noch die Sicherheit im Hintergrund, in die Schule zurück kehren zu können.
AntwortenLöschenAnnette
Trotzdem ein großer Schritt!
AntwortenLöschen