Mittwoch, 9. Februar 2011

Wie die Reihe "KLAR-reality" entstand

KLAR-reality heißt die Reihe, in der ich Jugendliche begleite, ihr Leben aufzuschreiben. Fünf Bücher sind bis jetzt in dieser Serie entstanden, drei erscheinen noch. 

Die Idee zu so einer Reihe war immer mal wieder Thema im Verlag, aber so richtig konkret wurde sie für mich, als ich eines Tages gemütlich durch die Fußgängerzone schlenderte. Ich sah vor einem Geschäft ein Mädchen sitzen, dass das Schild "obdachlos" neben einer Pappschachtel aufgestellt hatte. Und als ich genauer hinschaute, lief mir ein Schauer über den Rücken. Ich kannte das Mädchen nämlich. 
Entsetzt setzte ich mich neben sie in die Fußgängerzone (witziger Weise steigerten sich dadurch ihre Gewinneinnahmen) und redete mit ihr. Sie erzählte mir, wie es dazu gekommen war, dass sie jetzt hier saß. Schulabbruch, Streit mit den Eltern, Drogen und vor allem der obdachlose Freund, ihre große Liebe. Wir redeten lange miteinander. 
Ich wusste, dass das Mädchen sehr kreativ war. Sie konnte immer unheimlich toll zeichnen, und so fragte ich sie, ob sie sich vorstellen könnte, ihr Leben aufzuschreiben und als Buch zu veröffentlichen. Sie nickte, meinte, das könne vielleicht eine gute Chance sein, die Geschehnisse zu verarbeiten.

Ganz benommen und aufgewühlt von dieser traurigen Begegnung schrieb ich an den Verlag an der Ruhr und fragte nach, ob wir diesem Mädchen vielleicht eine Chance zum Schreiben geben könnten. Ich versprach, sie beim Schreiben zu begleiten und dafür zu sorgen, dass ein lesenswertes Buch dabei heraus kommt. 
Der Verlag zeigte große Anteilnahme. Sie berieten sich und stimmten schließlich zu, dieses Projekt ins Leben zu rufen. Dafür bin ich ihnen von ganzem Herzen dankbar. So ein Projekt abseits des Mainstreams zu entwickeln, ist ein großes Risiko. 
Nachdem ich die Zusage hatte, rannte ich sofort wieder durch die Fußgängerzone und traf auf das Mädchen. Doch sie war plötzlich nicht mehr bereit, zu schreiben. Zu tief war sie bereits im Drogensumpf versackt. 
Total traurig, aber nicht zu ändern.

Doch das Projekt war ins Leben gerufen, und so suchte ich andere Jugendliche, die gerne schreiben wollten. Ihre Bücher handeln von häuslicher Gewalt, von Drogen, Kriminalität, vom Ritzen oder von der Prostitution.

3 Kommentare:

  1. Auch wenn die Realität der jungen Menschen wahnsinnig traurig ist, deine Idee ist super!! Findet nur ein einziger von ihnen den Weg aus dem Sumpf, hat sich dieses Projekt mehr als gelohnt...

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  2. Die Bücher sind so spannend und interessant geschrieben, dass selbst notorische und überzeugte Nicht-Lesern zugreifen und sie nicht aus der Hand geben werden.

    Die Themen sind ausserdem so ansprechend, da findet sich jeder in einer Rolle wieder, in der er selber einmal wenn auch nur annähernd war oder in die er - wenn auch nur zeitweise - hineinschlüpfen wollte

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  3. Da es keine erfundenen sondern tatsächlich stattgefundenen und erlebte Geschichten sind, fehlt hier jede Art des drohenden Zeigefingers.

    Die Autoren sprechen auf Augenhöhe mit den Jugendlichen.
    Dadurch werden die Berichte auf eine ganz andere Art ernstgenommen und üben eine eigene Art der Faszination auf die Leser aus.

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