„Besonders Spaß macht es immer
erst, ein Instrument zu spielen, wenn man es in der Gruppe spielt“, sagte der
Musiklehrer meiner Kinder immer, und er schrieb jedem Schüler, der mehr als
drei Noten auf seinem Instrument spielen konnte, eine eigene Partitur, damit er
im Orchester spielen konnte. Das war wirklich eine große Motivation.
Wenn man in einem Handglockenchor mitspielt, ist man grundsätzlich auf die
Gruppe angewiesen. Man spielt in der Regel nicht mehr als vier Handglocken,
aber in der Gruppe erklingt ein ganzes Stück.
Gotha besitzt einen Handglockenchor – eine Musik, die ich noch nie vorher
gesehen oder gehört habe. Auf meine vorsichtige Anfrage, ob ich mal als
Zaungast zu einem Probeabend dazu kommen kann, werde ich sofort eingeladen.
Ich bin gleich fasziniert von der Musik, aber auch vom Zugucken, von der Freude
und der großen Konzentration der Spieler, von der Dynamik, mit der Chorleiter Matthias
Eichhorn die Gruppe dirigiert, manchmal mitspielt, hier und da Schwachstellen
wiederholen lässt und sie schließlich in das Stück integriert.Matthias Eichhorn hat das Handglockenspiel selbst bereits als Kind gelernt und
sozusagen mit der Muttermilch eingesogen, denn seine Mutter Elke Eichhorn war
ebenfalls als Kirchenmusikdirektorin für die Leitung des Handglockenchores
zuständig. Ihr Sohn studierte anschließend Musik in Weimar und ist heute als
Dozent an der Musikhochschule Leipzig tätig. Mutter und Sohn haben mittlerweile
die Rollen getauscht. Der Sohn hat die Leitung des Handglockenchores übernommen,
die Mutter ist Mitspielerein.Aber natürlich gibt es noch weitere Mitspieler, denn immerhin gibt es 61
Handglocken in fünf Oktaven zu bedienen.
Jeder Spieler hat einen eigenen Platz,
von wo aus er für seine Glocken im Stück verantwortlich ist. Auf diese Weise
ist es auch möglich, neue Mitspieler in die Gruppe zu integrieren, denn wer
Anfänger ist, kriegt zunächst die einfachen Stellen zugewiesen. Die Erfahrenen
spielen schnellere und schwierigere Stellen und haben mitunter auch mal vier
Glocken gleichzeitig in den Händen. Und genau das macht für die Spieler auch
den Reiz des ungewöhnlichen Musizierens aus. Anfänger und Fortgeschrittene
spielen miteinander, und jeder findet seinen Platz.Auch ich werde in das Handglockenspiel eingeführt. Als erstes lerne ich, dass
man die Glocke nicht mit der Hand anfasst.
Handglocken sind aus Kupfer, und die
Haut verändert mit ihren Hautpartikeln die Patina und damit auch den Klang der
Kupferglocken. Also zieht man Handschuhe an, was irgendwie ziemlich vornehm
aussieht. Anschließend zeigt mir eine Spielerin die Technik. Es ist nicht so einfach
wie das Klingeln einer Glocke unter dem Weihnachtsbaum, sondern die Glocke wird
in einer kleinen Kreisbewegung weggeführt, kurz angeschlagen und am Körper in ihrem
Klang gestoppt. Man kann auch andere Klänge mit der Glocke erzeugen, wenn man
zum Beispiel nur den Klöppel anschlägt oder die Glocke gedämpft auf einem Stoff
stoppt, oder wenn man sie mit einem Schlegel spielt. (An dieser Stelle möchte
ich mich entschuldigen, wenn die Begrifflichkeiten wie Klöppel oder Schlegel
nicht stimmen. Ich habe vergessen, mich nach den genauen Bezeichnungen zu
erkundigen.)
Ich verzichte darauf, beim Chor mitzuspielen, die Partituren sehen mir doch ein
wenig zu gefährlich aus. Dafür wandere ich durch den Raum, genieße die Musik
und schaue zu, wie sich die Gesichter lächelnd entspannen und jedem neben
höchster Konzentration auch die Freude und die Liebe zur Musik anzusehen ist.Übrigens – Handglockenchöre sind verdammt selten in Deutschland, sodass diese
Form der Musik schon echt einmalig ist.Der Handglockenchor bittet mich noch, darauf hinzuweisen, dass am 9.9. um 18.00
Uhr ein Jubiläumskonzert in der Augustinerkirche stattfindet.
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